Lieber Erster Mai,

Ich kann heute leider nicht bei dir sein….Oder eigentlich bist du es, der mich verlassen hat. Egal, schieben wir die Schuld einfach auf Amerika. Wer schiebt Labour Day auf den ersten Montag im September?! Wie dem auch sei. Ich vermisse dich. Sogar die Blasmusik. Oder sogar vorallem die Blasmusik. Und die Aufregung. Das frühe Aufstehen, das einem an diesem Tag garnichts ausmacht. Das schlechte Gewissen, weil man zwar nicht mit den Öffentlichen fährt, aber sein Frühstück doch beim Mann einkauft, der verführerisch zwischen Wohnung und Uni auf der Alserstraße liegt. Die ewige Diskussion, ob die Gruppe dieses Jahr größer ist, als letztes. Die herumwuselnden, aufgeregten, neuen AktivistInnen und die abgeklärten, aufgeregten, herumwuselnden Alteingesessenen. „Wir begrüßen die Red Biker mit einem dreifachen“ Freundschaft Freundschaft Freundschaft. Rufe? Auch die und die Antworten, die mal laut, mal müde ausfallen aber doch jedes Jahr die gleichen sind. Und die Transparente! Die kreativen wie die schlechten, euch vermisse ich auch. Und am meisten, lieber Erster Mai, vermisse ich wohl die Hintergrundgeräusche. Die Blasmusik und Tolar/Vitouch. „Jetzt zieht herein, die Delegation aus der Leopoldstadt. „Liebe Bundesregierung, wir wollen unsere Polizeistation zürück“ steht auf ihrem Leittransparent geschrieben“ oder heute wohl eher: „Gerade zieht die Delegation aus Floridsdorf herein, angeführt von den Roten Falken. Ihr diesjähriges Motto ist: „Sozialdemokratie ist Fortschritt für jedermann und jederfrau“. Willkommen und Hoch der erste Mai an die GenossInnen aus Floridsdorf“ Oh, wie ich euch vermisse Günter und Elisabeth. „Und nach dem Aufmarsch zum Mercato Rosso vor die Löwelstraße“ Ich vermisse, wie ihr es schafft, wie vom Band zu klingen und doch live zu sprechen. Und Mercato Rosso? Sogar den! Gerade den! Wo die brathendlfetten Hände sich schütteln und der Bund sozialdemokratischer Jungfamilien ihre Kinderwägen parkt. Wo man anhand der Größe der Kinder der VorgängerInnen erkennt, dass man bei deren Geburt schon maturiert hatte.
Und den Prater? Das alljährliche Einschleichen auf die Liliputbahnterasse? Das vor dem Riesenradherumliegen? Den sich durch den Prater wälzende Massen zusehen? Die ewige Frage, wie man diesen höchsten Feiertag perfekt abschließen kann? Nein, das vermisse ich nicht an dir. Gut, dass es neue Traditionen gibt.
Lieber Erster Mai, wie gern wäre ich jetzt bei dir. Wie gern würde ich jetzt an den letzten ersten Mai zurückdenken und an den davor und den davor…und an jeden kann ich mich erinnern. An die guten, wie die schlechten. An den Ausklang am Donaukanal und den Ausklang im Streit. An den, an dem Doublepunkt den ABC gewonnen hat und jenen, wo manch Katastrophenkonstelationen begonnen haben. Lieber erster Mai, ich kann es kaum erwarten, dich wieder zu haben. Es wird unser 20. Jubiläum sein, habe ich beschlossen. Ich bin mir nicht sicher, ob ich dir in meiner Jugend jedesmal treu war. Dunkel habe ich im Kopf eine Erinnerung an einen ersten Mai im Waldviertel. Und wer weiß, wann ich wirklich angefangen habe, dich zu treffen. Aber nach so langer Zeit, wer zählt schon die Jahre. Wir nicht.

Dein dich vermissender

Yussi

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2 Kommentare zu “Lieber Erster Mai,

  1. Clemens

    Der Yussi ist halt nicht nur ein Sozialromantiker, sondern auch ein Sozialromancier! Schmacht!

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  2. marliese

    Maibaumkraxln bei der Konkurrenz im Waldviertel war vor mehr als 20 Jahren! Sonst warst glaub ich immer dabei.

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