Bis zur Österreichischen Nationalratswahl am 29. September “sehe” ich wöchentlich “dem Netz,” für die ZEIT zu, wie sie in der Bildunterschrift zur ersten Kolumne so schön schreibt. Diese fünfte Kolumne erschien am 19.9.2012.
In seinem Buch Republic 2.0 warnte der Harvard-Professor Cass Sunstein bereits vor neun Jahren vor einer Balkanisierung des Internets. Menschen würden bald nur mehr jene Blogs und Nachrichten lesen, die sie in ihrer Meinung bestärken. Dadurch würden sie sich in einer Wahrnehmungsblase einschließen, in der sich ihre politische Überzeugung radikalisiert. Damit lag Sunstein nicht falsch, aber mit der Verkürzung auf die neuen Medien tat er ihnen Unrecht: In den USA ist es vor allem das Kabelfernsehen – Fox News auf der rechten und MSNBC auf der liberalen Seite –, das Kampagnenjournalismus betreibt. Besonders Republikaner greifen seit mehr als 20 Jahren unabhängige Institutionen als parteiisch an und haben es damit geschafft, selbst der New York Times oder dem öffentlich-rechtlichen Radio NPR ein linkes Image zu verpassen.
Hierzulande bedient sich die FPÖ dieser Taktik, indem sie auf kritische Fragen im Fernsehen mit „typisch ORF“ kontert.
Kein Wunder also, dass die FPÖ als eine der ersten Parteien in Österreich das Internet für sich entdeckt hat. Während traditionelle Medien freiheitlichen Botschaften kritisch gegenüberstehen und sie womöglich auf Wahrheitsgehalt überprüfen, hat die Partei online ungefilterten Zugang zu ihrer Zielgruppe. Auf YouTube sehen wöchentlich durchschnittlich 5.000 Menschen FPÖ-TV, eine Nachrichtensendung, welche die Wahrheit, die sie meinen, abbildet. Dort wird der Spitzenkandidat nach TV-Duellen zu seinen Auftritten befragt und Herbert Kickl zu Kampagnenstrategien. Die fiktiven Erlebnisse der Familie Berger, deren Sohn zum Türkischlernen gezwungen und deren Tochter das Geld von den Banken weggenommen wird, wurden von rund 60.000 Menschen gesehen.
Das Netz eignet sich auch deshalb so gut, weil es oft – wie die Partei selbst – personenzentriert ist. Und als Person funktioniert H. C. Strache. Anders als andere Parteivorsitzende hat er verstanden, was es braucht, womit man im Internet erfolgreich kommuniziert: Emotionalität vor Sachlichkeit. Gespräche unter Freunden statt Politikerreden vor Wählern.
Die FPÖ hat dort einen öffentlichen-digitalen Raum geschaffen, in dem Menschen ihre Meinung unwidersprochen und unzensiert weiterverbreiten können. Wer auf Straches Internetpräsenzen schreibt, wird niemals lesen müssen „Das sagt man nicht“, sondern im Gegenteil, er wird mit virtueller Zustimmung in Form von „Likes“ bestätigt. Und wer Glück hat, bekommt sogar ein ;-)-Smiley vom Parteivorsitzenden höchstpersönlich.