Die amerikanischen Baustellen der nächsten Monate

Jetzt ist es also das passiert, was ohnehin schon seit Wochen klar war: Der Senat ist ab Jänner republikanisch dominiert. DemokratInnen haben nur eines der (manchmal gar nicht so) knappen Rennen für sich entscheiden können. (1)
Trotz der pessimistischen Erwartungen gab es einige böse Überraschungen für DemokratInnen – etwa die Gouverneurswahl im liberalen von DC Vororten geprägten Maryland. Dort gewann zum erstaunen vieler Beobachter ein Republikaner.
Medial wird die Sache – hier wie drüben – auch als Abrechnung gegen Obama gelesen, doch dass Präsidenten im Laufe ihrer Amtszeit die Mehrheit verlieren ist nicht ungewöhnlich. Das hat sogar einen Namen: Six-year itch.
Warum es so schwierig ist, zu analysieren was dieser Sieg ändert, liegt vor allem am schon bestehenden Gridlock: Die Regeln, wie der Senat funktioniert wurden von der republikanischen Minderheit der letzten acht Jahre geändert. Der berüchtigte Filbuster hat die notwendige de facto Mehrheit auf 60 Stimmen erhöht. Die RepublikanerInnen haben seit gestern 52 SenatorInnen. Die Variable der nächsten Jahre: Können und wollen DemokratInnen genauso konsequent konservative Gesetzesentwürfe blockieren, wie es die RepublikanerInnen in den letzten sechs Jahren gemacht haben?

Und: Was ist eigentlich die konservative Agenda? RepublkanerInnen haben nicht wegen ihrer Forderungen gewonnen, sondern mit Phrasen und aufgrund einer allgemeinen Unzufriedenheit mit dem Präsidenten. Diese Mehrheit jetzt in Politik zu verwandeln, wird auch zu spannenden Dynamiken innerhalb der RepublikanerInnen führen. Dementsprechend wird es auch auf Policy Ebene zu überraschenden Vorstößen kommen, die uns in Europa sicher zum Teil an den Kopf greifen lassen.
Ein paar Baustellen zeichnen sich aber schon ab:

– Obamacare
Im House haben sie mittlerweile über 40 mal für eine Aufhebung der Gesundheitsreform gestimmt. Im Senat werden sie das sicher auch tun. Eine direkte Aufhebung wird aber zu 100% zu einem Veto des Präsidenten führen. Neben diesem eher symbolischen Akt gibt es andere Wege die Gesundheitsreform zu boykottieren. Einer führt über die Bundesstaaten, die einer wesentlichen Säule (die Ausweitung von Medicare auf Einkommen unter $16000) zustimmen müssen. Vier neue republikanische Gouverneure werden das schwerer machen.

– Die Keystone XL Pipeline
Präsident Obama war unentschlossen, was den Ausbau der Pipeline von Kanada bis zum Golf von Mexiko betrifft und wurde von seiner progressiven Basis und Umweltschutzorganisationen unter Druck gesetzt, die Entscheidung zumindest zu verschieben. Diese Pipeline könnte die erste Kompromissmaterie in Verhandlungen mit dem neuen Senat werden.

– The Supremes
Vier der neun Richter am Verfassungsgerichtshof sind über 70. Ruth Bader Ginsburg, die mit 81 älteste liberale Richterin hat erst im September bestätigt, dass sie ihren Sitz nicht vorzeitig räumt, weil es Obama im derzeitigen politischen Klima unmöglich wäre, eine liberale wie sie nachzubesetzen. Die anderen drei potentiellen Pensionisten sind konservative und denken dementsprechend nicht daran, Obama die Freude zu machen zu gehen. Sollte einer von ihnen unfreiwillig gehen (aka sterben) würde das die Machtverhältnisse am Gericht deutlich verschieben. Zwar würde Obama niemals wieder so liberale Kandidatinnen durch den Senat bekommen, wie die Richterinnen Kagan und Sotomayor, aber selbst ein/e moderater RichterIn wäre eine Sensation und eine langfristige Veränderung der politischen Verhältnisse. Wenn sich Bader Ginsburgs Meinung tatsächlich nicht ändert, muss sie bis 2016 überleben und hoffen, dass sich das Klima ändert. ODER sie hofft auf die Lame Duck Session.

– Lame Duck Session
Weil früher die Wahlmänner aus den Weststaaten den ganzen langen weg nach Washington reiten mussten, um ihr Ergebnis zu verkünden, findet die Angelobung des neuen Senats erst Ende Jänner 2015 statt. Bis dahin sind noch die abgewählten Abgeordneten in Amt und Würden und die wesentlich freier als bisher. Heißt: Abgeordnete aus Konservativen Bezirken müssen nicht mehr auf ihr Wahlvolk Rücksicht nehmen und können machen was sie wollen. In dieser Dynamik könnte noch das eine oder andere kontroversielle Appointment gemacht werden, bevor DemokratInnen endgültig ihre Mehrheit verlieren.

– 2016
Das Electorate von Midterms und Präsidentschaftswahlen ist völlig anders. Wahlloses Beispiel: Bei den Senatswahlen in New Mexico 2012 gingen fast 800,000 Menschen zur Wahl. Gestern waren es knapp 500,000. In Texas, wo dieses Jahr sogar Gouverneurswahlen waren, waren es 3,9 Millionen vs. 7,5 vor zwei Jahren. Der direkte Einfluss auf die Wahlen oder die Möglichkeit 2014 als Omen zu betrachten sind also gering. Wohl aber hat die diesjährigen Wahl einen indirekten Einfluss auf 2016: nämlich auf der oft vernachlässigten Bundesstaatebene. Tatsächlich gibt es ja keine allgemeinen Wahlen in den USA sondern eine pro Bundesstaat, mit eigenen Regeln, Abläufen, etc. Diese werden von den lokalen Parlamenten bestimmt und vom Secretary of State administriert. Spätestens seit 2000 wissen wir, wie viel Einfluss diese lokalen Regeln und Player auf den Ausgang von Wahlen haben.

———-

(1) In New Hampshire ist jener Republikaner gegen Senatorin Shaheen angetreten, der vor drei Jahren – damals in Massachusetts – in einer Special Election den Sitz des verstorbenen Ted Kennedy gewonnen und vor zwei Jahren gegen Elizabeth Warren verloren hat. Selbst dieser Geographischer Opportunismus hat nicht so sehr geschadet, wie die DemokratInnen erhofft hatten.

Rising Star

Excited to be honored as a „Rising Star“ by Campaigns and Elections Magazine, alongside many great colleagues and friends. Here’s the text from C & E:

Campaigns & Elections has a long tradition of recognizing the best and the brightest in the political industry. It’s a tradition that is anchored by our annual Rising Star award.

Since 1988, C&E has honored up-and-coming campaign pros with Rising Stars and over the years recipients have reached the heights of the campaign business.

David Axelrod, James Carville, Alex Castellanos, Ben Ginsberg, Hal Malchow and Mark Mellman are among the inaugural class of Rising Stars crowned in 1988. C&E Rising Stars have served in senior positions on the presidential campaigns of every major party nominee since 1992.

The Democrats
Julie Dorshkind
Chris Hayler
Bergen Kenny
Henri Makembe
Ed Niles
Emily Parcell
Jessica Post
Amelia Showalter
Thomas Rossmeissl
Josh Wolf

The Republicans
Michael Britt
Amelia Chassé
Zack Condry
Tom Dickens
Jim Hobart
David Kanevsky
Lynn Krogh
Alex Tornero
Tiffany Waddell
Aaron Trost

International/Nonpartisan
Adriel Hampton
Luis David Duque
Giselle Perezblas
Yussi Pick
Victor C.E. Richardson, Jr.

 

Hört auf zu beschreiben, fängt an zu begreifen

Originally published on www.echoprinzip.at:

 

Screenshot_5_15_13_10_44_AMEs gibt in der Diskussion, was Onlinekanäle in der politischen Kommunikanion leisten/wie sie sie verändert drei immer wiederkehrende Punkte, die alle drei die Diskussion unnötigerweise Verkürzen:

1) Die Diskussion dreht sich nur darum wir „ein Politiker“ Onlinekanäle nutzen kann
2) Die Analyse einer Präsenz bleibt bei „XY hat YZ Fans“ stehen
3) Die Beschreibung heißt zwar „[Social Media Plattform] für Politische Kommunikation“ geht aber nicht über „so bauen sie einen LIKE Button ein“ hinaus.

Vor diesem Triumvirat ist nicht einmal Facebook selbst gefeit. Die Broschüre „Facebook erfolgreich nutzen – Leitfaden für Politiker und Amtsträger,“ die offenbar gemeinsam mit einer Social-Media-Monitoring Firma (don’t even get me started) herausgegeben wurde (oder letztere hat das Facebook Corporate Design kooptiert – so genau kann man das nicht sagen), ist Anlass für diesen Rant (die Diskussion auf der ich sie zum ersten Mal gesehen habe auch, aber jetzt reicht’s erstmal mit Klammern und Einschüben). In ihr stehen Sätze wie: „Teilen Sie Texte, Fotos, Videos, Podcasts und Links, erstellen Sie Veranstaltungen und stellen Sie direkte Fragen, um eine persönliche Beziehung zu Ihren Anhängern aufzubauen.“ oder „Ihr Publikum wartet.“ oder „Ich berichte auf Facebook von Terminen, stelle Fotos von Zusammentreffen und Videos meiner Reden auf Facebook.“

Vor allem letzteres finde ich ein schönes Beispiel, wie politische KommunikatorInnen noch immer alte PR-Taktiken auf die neuen Kanäle anwenden. Es scheint fast, als würden sie meinen „Hurra, die Gatekeeper traditioneller Medien sind weg. Endlich hindert mich niemand mehr daran mein Gesicht stundenlang in die Kamera zu halten.“

Das ist ihnen aber nicht vorzuwerfen. Immerhin stehen solche Vorschläge in offiziellen Facebook-Handbüchern und sie haben es nicht anders gelernt. Wer es besser wissen sollte, sind wir Internet Menschen. Aber selbst wir sind nicht vor diesen drei Verkürzungen gefeit. Neulich auf einer Diskussion im Europa Haus gab es eine Veranstaltung zum Thema „Social Media und EU Kommunikation“ wo die Diskussion mit dem EU-Social Media Kommuikationschef, einer Facebook-Europe Person und dem von mir äußerst geschätzten Michel Reimon sofort in eine „Müssen Politiker im Internet lustig sein“ Diskussion verkam.

Zum Thema „Lustig“ und „authentisch“ fällt mir immer der äußerst treffende Kommentar von Colin Rogero ein: „If you’re boring, you’re boring.“ Das ist auch der Grund, warum ich Punkt 1) so verkürzt halte. Wie PolitikerInnen Facebook zum persönlichen Branding nutzen, ist mir doch wurscht. Manche sind um- und zugänglich, andere nicht. Daran werden auch Onlinekanäle nix ändern. Was viel interessanter ist, ob sie und ihre KommunikationsstrategInnen verstehen, zum dort Diskurs beizutragen.

Genau deshalb ist es auch egal, ob ein/e PolitikerIn 100 oder 1000 Fans hat. Leider lässt sich jeder „Social Media Check“ von Zahlen ablenken (Das zum Beispiel: http://www.fine-sites.de), aber auch JournalistInnen gehen fast nie darüber hinaus, wie viele Menschen Parteien um sich versammelt haben.

Deshalb mein Plädoyer: Hören wir auf, Social Media zu beschreiben, sondern reden darüber, was politische KommunikatorInnen in Onlinekanälen machen. Lasst uns nicht mehr von Zahlen ablenken lassen und nicht mehr über politische Persönlichkeiten sprechen, sondern über Themen und die Public Agenda und wie der durch das und im Netz verändert ist. Und lasst uns keine Anleitungen mehr schreiben, wie Like Buttons in Pages sondern wie Menschen in Politik „eingebaut“ werden können.

So. Rant over.

Hier übrigens der Link zur Facebook Für Politiker Broschüre.

 

Warum mein Buch „Das Echo-Prinzip“ heißen wird

Nach Monaten des Brainstormens und Überlegens habe ich einen Titel für mein Buch gefunden, der nicht trivial („Lernen von Obama“) und nicht zu kopfig („Share und herrsche“ ) ist. Zusammen mit dem Buch, das im Juni erscheinen wird, hab ich einen Blog gelauncht: www.echoprinzip.at. Dort werd ich regelmäßig Analysen, Kommentare etc. über politische Kommunikation online veröffentlichen. Wer an das Erscheinungsdatum des Buchs erinnert werden möchte, kann sich dort auch auf eine Email-Liste eintragen.

Hurra, ich schreibe ein Buch

In aller Kürze:

Wie heißt’s: das ist noch nicht ganz klar. Es gibt eine Short-List, die hoffentlich im Laufe der nächsten Monate immer shorter wird.

Worum geht’s: Wie Organisationen, Institutionen und andere (politische) KommunikatorInnen Online Kanäle nutzen könnten, damit sie offline eine Wirkung haben. Gespickt wird die Chose mit Beispielen aus den vergangenen Jahren europäischer Social Media Nutzung und dem vergangenen US-Wahlkampf.

Erscheinungstermin ist im Mai 2013 im Czernin Verlag.

 

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Ich bin dann mal weg – Warum ich (erst jetzt) austrete

Im Leben eines/r SozialdemokratIn kommt irgendwann der Moment, an dem eine Aktivität seiner/ihrer Partei an einer Zumutbarkeitsgrenze kratzt. In den meisten Fällen wird Sie dann nach Hadern und Zaudern noch ein Stückchen verschoben, diese persönliche Grenze. Das ist ein gefährliches Spiel. Denn wenn sie dann plötzlich wieder kratzen (und sie kratzen immer wieder), muss man sich fragen: Warum hab ich mich eigentlich nicht damals schon verabschiedet? War nicht vergangenes X viel schlimmer als aktuelles Y? Zwischendurch tritt man dann statt aus in  die Sektion 8 ein. Und dann kratzen sie wieder. Und man denkt sich: Aber wenn ich jetzt sag „da mach ich nicht mehr mit“, dann muss ich mir ja die Frage gefallen lassen warum ich bisher noch mitgemacht hab. Dann erinnern sich Menschen, dass man noch dabei ist. Und wenn man’s Maul halt, dann fragt auch niemand. Und irgendwann wird diese Liste ja wieder abgebaut.

Die Liste, an deren Spitze eine Fremdenrechtsnovelle steht. Und eine Rückgradlosigkeit in der Bildungspolitik. Und eine Visionslosigkeit in Europapolitik. Und eine Prinzipienlosigkeit in Sozialpolitik. Und die -losigkeit in der Personalpolitik. Und eine Respektlosigkeit vor ohnehin eher zahmen demokratischen Kontrollmechanismen. 

Aber irgendwann kommt dann der Moment, da kommt man drauf: Diese Liste, die wird nicht kürzer. Schlimmer noch: So furchtbar die Liste ist – Fremdenrechtsnovelle an der Spitze – sie ist, auch wenn man’s als Linker nicht gern hört, mit demokratischen Mehrheiten (und tendenziell auch mehrheitlicher Zustimmung in der Bevölkerung) zustandegekommen. Und kann genauso demokratisch wieder zurückgenommen werden. Aber jetzt drehen sie an den Regeln des demokratischen Spiels. Jetzt basteln sie an ihrem Machterhalt, der sie und ihre Politik einzementiert.

Denn was sind denn die Optionen nächstes Jahr? Faymann zu einem Ergebnis zu verhelfen, das ihn am Futtertrog belässt? (Und selbst ein unrealistisches Rot-grün würde das). Oder hoffen, dass die SPÖ bei der nächsten Wahl so verliert, dass sie sich in der Opposition regeneriert (weil’s nach 2000 schon so gut funktioniert hat?) Was soll in dieser Regeneration passieren? Das System Faymann ist zwar nach ihm benannt, aber größer als eine Person. Es sitzt nicht nur auf der Regierungsbank. Es ist tief verankert im Klub, in so manchen Geschwisterorganisationen, in der Löwelstraße. 

Die Versuche der Sektion 8 (in der ich seit ihrer Gründung Mitglied, aber nicht aktiv bin) die Partei von der Basis her zu demokratisieren, sind gut, wichtig und auch erfolgreich. Ich bewundere sie für ihre Energie. Aber ich kann nicht mehr. Denn für jede Sonja Ablinger gibt es (mindestens) zwei Otto Pendls. 

Und deshalb muss ich da jetzt durch und sagen: Ja, bis jetzt war ich dabei. Aber ich bin dann mal weg. 

Feig. Ein Endbericht?

Vor über drei Monaten wurde ich von Beamten in Zivil nach meinem Ausweis gefragt. Seitdem versuche ich zwei Fragen zu klären: Was war die rechtliche Grundlage dafür? Und was ist der Ablauf einer solchen Amtshandlung. Über ein Monat hat es gedauert, bis mir überhaupt gesagt wurde, von welchem Landespolizeikommando die Beamten waren, ein wenig länger bis klar war was die gesetzliche Grundlage war.

Und wer die Beamten waren? Nun vor Kurzem bekam ich einen Brief, der mir mitteilt „dass gemäß der bestehenden Rechtslage die Ausfolgung von Dienstnummern an von der Amtshandlung betroffene Personen im Nachhinein nicht vorgesehen ist.“ Mir wird auch der entsprechende Auszug aus der Verordnung BGBI Nr. 266/1993 „zur Kenntnis gebracht.“ Dort steht: „Die OPrgane des öffentlichen Sicherheitsdienstes haben von einer Amtshandlung Betroffenen auf deren Verlangen ihre Dienstnummer bekanntzugeben.“ Der Zeitpunkt ist ungeregelt.

Sonst noch gelernt

  • Das mit dem Amtsgeheimnis: Eh doch nicht so.
  • Keine Sorge, wegen der polizeilichen Willkür! Es gibt zwar „von Seiten des BM.I keine Vorgaben für die Auswahl der im Rahmen der Ausgleichsmaßnahmen routinemäßig zu kontrollierenden Personen,“ aber „sämtliche polizeiliche Maßnahmen […] ausschließlich auf Grundlage und im Rahmen der bestehenden Gesetze vorgenommen werden dürfen.“ Und ich Dummerchen dachte immer, bestehende Gesetze sind Annäherungswerte!
  • Das mit dem ich klinge wie ein Österreicher? „Es ist sehr schwer oder sogar unmöglich nachzuvollziehen, was an wen, wann gesagt wurde.“ Aber: „kann alleine deshalb [eh] noch kein Fehlverhalten abgeleitet werden. ES HANDELT SICH DABEI OFFENSICHTLICH UM EIN STATEMENT OHNE NÄHERE HINTERGRÜNDE“ (All Caps added for emphasis). #notintendedtobeafactualstatement
  • Ich kann mich übrigens gerne beim Unabhängigen Verwaltungssenat beschweren: bis zu 6 Wochen nach der Amtshandlung.

Die von mir gestellten Fragen sind also auch nach drei Monaten nicht einmal versucht worden zu beantworten. Ich weiß jetzt, dass es den PolizistInnen durchaus erlaubt ist, racial profiling zu betreiben – oder es ist ihnen zumindest nicht verboten. Dass der blonde Herr im Anzug seinen Ausweis nicht einmal aus dem Geldbörsl nehmen musste, während meiner in einen Computer getippt wurde und der eines dritten sogar mit der Lupe kontrolliert wurde – diese Ungleichbehandlung ist kein Problem.

Das als Abschluss dieser Odyssee, finde ich aber ein wenig unbefriedigend. Natürlich wirft der Brief mehr Fragen auf, als er beantwortet und ich könnte noch monatelang das Frage-Keinantwort Spiel mit Herrn Androsch zu spielen – gleichzeitig wird das recht fad. Aber aufhören ist das, was die Beamten mit ihren Nichtbeantwortungen erreichen wollen. Es stellt sich also die Frage, liebe/r LeserIn: Was tun?

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Feig. Ein Zwischenbericht. Teil 2

Da ist es endlich! Das A Word! Ein Monat hat es gedauert, bis ich überhaupt einmal erfahren habe, von welchem Landespolizeikommando ich kontrolliert wurde. Bis zum ersten Mal A wie Amtsgeheimnis gefallen ist, waren es nocheinmal 7 Wochen. Schritt 12-21 meiner Odyssee nach Antworten auf scheinbar einfache Fragen: Wie lauten die Dienstnummern der amtshandelnden PolizistInnen? Und was ist der korrekte Ablauf einer solchen Amtshandlung? (Wer die Vorgeschichte oder Schritte 1-11 verpasst hat kann sie hier nachlesen.)

17.2.2012

Schritt 12

Einige Tage später habe ich wieder Zeit mich dem Thema zu widmen. Ich rufe das LPK Oberösterreich an, wo ich zum Journaldienst verbunden werde. Die haben leider keine Informationen für mich und außerdem ist es schon 15 Uhr. Das heißt Montag wieder anrufen.

20.2.2012

Schritt 13 & 14 & 15

Die Nummer die ich vom Journaldienst bekommen habe verweißt mich an die Polizeiinspektion Linz Hauptbahnhof. Dort werde ich darüber aufgeklärt, dass die Kollegen von der AGM nur im selben Zimmer wie die „normale Inspektion“ sitzen, aber nicht die selbe Abteilung seien. Der „normale“ Polizist meint ein Kollege werde sich bei mir melden und fragt nach meinen Daten. Name, Datum der Amtshandlung, Geburtsdatum. Ich frage ihn, wie mein Geburtsdatum bei der Beantwortung der Anfrage nütze. Dann braucht er’s doch nicht.

Schritt 16

Ein Rückruf! Der Polizist meldet sich mit Namen, den ich mir leider nicht notiere, denn am Ende des Gesprächs hat er ihn verloren und gegen eine Dienstnummer eingetauscht. Er erklärt mir, dass ich nach den Dienstnummern vor Ort hätte fragen sollen. Die gibt er mir am Telefon sicher nicht. Er kann auch schließlich nicht überprüfen, ob ich tatsächlich kontrolliert wurde (oder, so die Implikation, ob ich das nur vorschütze, um …. ?).  Eine Zeitlang gibt er mir aber Antworten: Die Daten, die in den Fahndungslaptop getippt werden würden nicht gespeichert, ist eine der ersten Dinge die er ungefragt kundtut, das sei eine ganz normale Fahndungsabfrage. Nein, sie fragen nicht alle Passagiere ab, etwa 100-200 pro Kontrolle (/Tag?), eine Stichprobe. Es gäbe keine Kriterien, wie da kontrolliert wird, das ist alles Zufallsprinzip, Ermessenssache „da haben wir Gottseidank von oben noch keine Kriterien.“ Dann wird ihm das Telefonat zu heiß, ich solle doch eine Anfrage übers Ministerium machen.

21./22.2.2012

Schritt 17

Ich bekomme ein Email vom Oberst, der mir noch einmal bestätigt, dass das LPK OÖ dafür zuständig ist. Ich rufe am nächsten Tag zurück und stelle ihm die Fragen nach den Kriterien der Auswahl. Es würden bestimmte Reisezüge überprüft, die vom BMI festgelegt werden. Es sei dem Spürsinn des/r BeamtIn überlassen, wen er/sie kontrolliert. Dazwischen läutet sein Handy. Er wimmelt das Gegenüber ab, denn er hätte einen „Beschwerdeführer am Apparat.“ Die Dienstnummern gehen ihm dann am Telefon zu weit. Er fühlt sich überfallen Ich soll ihm die Fragen per Email schicken.

Schritt 18

Ich sende Emails mit Fragenliste sowohl an den Oberst als auch – verkürzt – an das BMI mit weiteren Fragen. Das Email im Wortlaut:

Sehr geehrter Herr NAME,
Ich bedauere, dass Sie sich von meinem heutigen Anruf überfallen gefühlt haben – Ich habe ihr gestriges Email mit dem Angebot weitere Fragen an Sie zu richten als Einladung sie telefonisch zu diskutieren missverstanden. Ich möchte betonen, dass es sich bei mir nicht um – wie sie mich in dem unser Gespräch unterbrechenden Anruf tituliert haben – einen Beschwerdeführer handelt, sondern um einen an Amtshandlungen einen interessierten Bürger.
Anbei, wie gewünscht einige Fragen. Ich bitte um kurze Bestätigung mit einer Abschätzung der Dauer der Beantwortung.

– Wie lauten die Dienstnummern der amtshandelnden Polizisten?
– Nach welchen Kriterien werden die Menschen zur Kontrolle ausgewählt?
– Nach welchen Kriterien werden Ausweise kontrolliert?
– Nach welchen Kriterien werden Daten in den Fahndungscomputer eingegeben?
– Warum wurde mein Führerschein in den Fahndungscomputer eingegeben?
– Warum wurde der Ausweis des Herrn gegenüber von mir nicht in den Fahndungscomputer eingegeben?
– Nach welchen Kriterien werden Ausweise genauer – also etwa mit Lupe – kontrolliert?
– Was sind Fälschungsmerkmale?
– Wie viele Beamte müssen einen Fälschungsverdacht bestätigen, damit eine weitere Amtshandlung durchgeführt wird?
– Warum wurde mein Führerschein nicht mit einer Lupe kontrolliert?
– Wie werden die Beamten unterstützt ihren „Spürsinn“ – wie sie es formuliert haben – auszubauen?
– Werden sie geschult und was ist der Inhalt dieser Schulungen?
– Im Zuge meiner Anfrage geriet ich an eine Kollegin, die mir bescheinigt hat „wie ein Österreicher zu klingen.“ Ist Aussprache ein Kriterium?
– Interessant wäre es, mit einem Beamten direkt über seine Kriterien zu sprechen. Können Sie ein solches Gespräch initiieren?

– An jenem Tag wurde auch ein Herr kontrolliert, der in Folge gebeten wurde sich aus seinem Sitz zu erheben und von den Beamten aus dem Waggon begleitet wurde. Warum war es notwendig, den Herrn, dessen Ausweis mit einer Lupe kontrolliert wurde, aus seinem Sitz zu entfernen?
– Wohin wurde er mitgenommen?
– Wie ist das weitere Prozedere in so einem Fall?
– Wie viele Menschen werden pro Tag von AGM kontrolliert? (Wenn Sie nicht für ganz Österreich sprechen können: Wie viele Menschen werden von der OÖ AGM kontrolliert)
– In wie vielen Fällen kommt es zu Fälschungsverdacht? (Wenn Sie nicht für ganz Österreich sprechen können, dann bitte ich wieder um oberösterreichische Zahlen)

Wie gesagt, die konkrete Amtshandlung wurde am 18.1. in einem Westbahnzug von Wien, kurz nach der Abfahrt um 7:14 durchgeführt.

Im Voraus vielen Dank für die Bestätigung des Erhalts und die Beantwortung meiner Fragen.

mit freundlichen Grüßen

Carl Pick

5.4.2012

Schritt 19

Es vergehen sechs Wochen. Hie und da erinnere ich mich aber vergesse dann doch wieder, ein Erinnerungsemail zu schreiben. Deshalb freut es mich umso mehr ein Email zu bekommen. Der Wortlaut:

Unter Bezugnahme auf Ihre weitere Eingabe vom 22. Februar 2012 teilt Ihnen das Bundes- ministerium für Inneres, Generaldirektion für die öffentliche Sicherheit, Referat II/1/c (Haf- tungsangelegenheiten und Services) mit, dass die Zugskontrollen am 18. Jänner 2012 durch Beamte aus dem Wirkungsbereich des Landespolizeikommandos Oberösterreich durchge- führt wurden.
In Bezug auf die Erfordernis bzw. Rechtmäßigkeit dieser vorangeführten Kontrollen im Schengener Raum wurden Sie bereits mit ho. Schreiben vom 10. Februar 2012, GZ: BMI- OA1350/0127-II/1/c/2012, informiert.
Die von Ihnen im Gegenstande gestellten Fragen beziehen sich insbesondere auf organisa- torische polizeiinterne Abläufe, die selbstverständlich der Geheimhaltung bzw. der Amts- verschwiegenheit unterliegen. Eine Beantwortung Ihrer Fragen durch das BM.I wäre daher aus diesem Grunde auch nicht zulässig und würde sogar den Verdacht auf Verletzung eines Amtsgeheimnisses gemäß § 310 des Strafgesetzbuches (StGB 1975) nach sich ziehen.
Eine Erhebung bei dem am besagten Tag, und zwar am 18. Jänner 2012 amtshandelnden Beamten ergab, dass dieser Beamte von Ihnen bereits am 20. Februar 2012 angerufen wur- de. Bei dieser Gelegenheit wurde Ihnen auch die Dienstnummer des Beamten bekannt ge- geben. Auch erfolgte im Zuge des Telefongespräches bereits eine allgemeine Aufklärung über die Zugskontrollen.

Ihre Angabe, dass Sie im Zuge Ihrer Anfragen an eine Polizeibeamtin geraten seien, die Ihnen bescheinigt habe, „wie ein Österreicher“ zu klingen, konnte trotz intensiver diesbezügli- cher Ermittlungen nicht verifiziert werden. Insgesamt ist festzuhalten, dass auf Grund der vorliegenden Erhebungsergebnisse kein Fehlverhalten eines Polizeibediensteten festgestellt werden konnte.
In der Hoffnung, Ihnen mit vorangeführten Informationen behilflich gewesen zu sein, verbleibt

mit freundlichen Grüßen

10.4.2012

Schritt 20

Ein klassischer Fall von Good News/Bad News: Es freut mich zwar, nach etwa 11 Wochen und einer Kombination aus mehr als 20 Telefonaten und Emails EINE der drei Dienstnummern der amtshandelnden Beamten bekommen zu haben. Was mir der Kollege, der mir tatsächlich am 20.2. seine Dienstnummer gegeben hat (Schritt 16), aber verschwiegen hat ist, dass er auch der war, der mich kontrolliert hat.

Was mich aber verunsichert ist: Habe ich etwa arglose BeamtInnen, die nichts wollten als mir zu helfen, mit meiner Anfrage in die Illegalität getrieben? Habe ich durch meine Fragen provoziert, dass sie gegen das Amtsgeheimnis verstoßen?

Ich muß die Kollegen im BMI also um weitere Klarstellung bitten: Soll ich die mich informierenden Beamten wegen Bruch des Amtsgeheimnisses anzeigen oder bekomme ich doch eine schriftliche Bestätigung der mündlich diskutierten Kriterien? Mein Email im Wortlaut

Sehr geehrter Herr NAME,

Bezugnehmend auf ihr Schreiben vom 5. April 2012, GZ.: BMI-OA1350/0360-II/1/c/2012 darf ich festhalten, dass der Beamte mit dem ich am 20. Februar gesprochen hat mir zwar seine Dienstnummer gegeben aber sich nicht als jener identifiziert, von dem ich am 18. Jänner kontrolliert wurde. Ich bitte daher schriftlich zu bestätigen, dass ich vom Beamter der Dienstnummer XXX XX XX kontrolliert wurde. Ich bitte außerdem, mir wie bereits telefonisch mehrfach angefragt die Dienstnummern der beiden anderen amtshandelnden Beamten zu melden.

Es stimmt, dass mir der Beamte XXX XX XX einige Fragen zu den Auswahlkriterien beantwortet hat, mich aber für schriftliche Bestätigung an Sie verwiesen hat. Sollte das gegen das gegen Paragraph 310 des StGB 1975 verstoßen haben, werde ich natürlich umgehend Anzeige erstatten. Sollte dies nicht der Fall sein, bitte ich um schriftliche Beantwortung.

Des Weiteren bitte ich im Detail offenzulegen wie die Auskunft über übrigen Vorgaben des BMI bei der AGM „ein öffentliches oder ein berechtigtes privates Interesse“ verletzen. Gleichzeitig bitte ich sie offenzulegen, welche Maßnahmen sie ergreifen um Menschen vor polizeilicher Willkür im Zuge der AGM zu schützen.

Bezüglich meiner Anfrage zu Ausprache als Kriterium der Kontrolle darf ich ein Misverständnis aufklären. Meine Anfrage bezog sich nicht auf die Verifikation meiner Aussage, sondern auf die Gültigkeit von Aussprache bei der Selektion von zu kontrollierenden Personen. Falls es ihre weiteren Ermittlungen vereinfacht, die Dienstnummer der Beamtin, die mir bescheinigt hat ich „klinge wie ein Österreicher“ ist XXX XX XX.

Mit freundlichen Grüßen,

Carl Pick

Schritt 21

To be continued.

Feig. Ein Zwischenbericht. Teil 1

Eigentlich wollte ich nur wissen, welche Beamten und auf welcher gesetzlichen Grundlage mich  am 18.1. im Zug kurz nach Wien kontrolliert haben. Bevor ich das erfahre, wird mir attestiert ich „klinge wie ein Österreicher“ und muß zwischenzeitlich schon befürchten, es waren Betrüger am Werk. Eine Choose-your-own-adventure Geschichte durch den Österreichischen Polizeiapparat. Schritt 1-11.

Die Vorgeschichte: Am 18.1. werden ich und zwei andere Herren von drei PolizistInnen in Zivil nach meinem Ausweis gefragt. Einer der beiden wird gebeten mitzukommen. Ich ärgere mich, dass ich ihn nicht unterstützt habe. Soweit zur Ausgangssituation, die ganze Geschichte ist hier nachzulesen.

Auf Twitter und in Kommentaren zum Eintrag werden zwei Dinge schnell klar:

1.) Es handelt sich um eine Kontrolle nach Schengen, das Staaten zu Kontrollen im Inland verpflichtet.

2.) Das Einzige, was ich jetzt noch tun kann ist dokumentieren, weitererzählen, nachfragen. Und genau das habe ich gemacht. Nach rund einem Monat und mehreren schriftlichen und telefonischen Anfragen bleibt die scheinbar am einfachsten zu beantworteten Fragen ungeklärt: Was ist die gesetzliche Grundlage für die Amtshandlung? Was sind die Dienstnummern der amtshandelnden PolizistInnen?

Um das herauszufinden, muss man nämlich erst wissen, welche Landespolizeikommandatur an jenem Tag in diesem Zug kontrolliert hat – aber alles nach der Reihe.

20.1.2012

Schritt 1

Ich rufe beim Bürgerbüro des BMI an. Dort ist man überfragt, aber überrascht dass ich im Inland nach meinem Ausweis gefragt wurde. Ich werde an die Bundespolizeidirektion Wien verwiesen.

Schritt 2

Die Dame bei der BPD Wien bezweifelt, dass das die Polizei war und ist überrascht, dass jemand mitgenommen wurde. Auch die Frage nach der gesetzlichen Grundlage kann sie mir nicht beantworten. Sie bittet mich, ein Email an den Informationsdienst zu schreiben, von denen ich in 2 Tagen eine Erstantwort erwarten dürfe, die Bearbeitung kann dann länger dauern.

Schritt 3&4

Zur Sicherheit rufe ich sowohl bei den ÖBB, als auch beim Zoll an. In beiden Fällen ist man ratlos, aber freundlich. In beiden Fällen wird meine „Vermutung“ bestätigt, dass es sich um eine Polizeiamtshandlung handelt.

Schritt 5

So ganz will ich noch nicht aufgeben. Ich rufe beim Pressedienst der Polizei an. Dort werde ich gefragt, warum ich die Beamten nicht vor Ort nach ihren Dienstnummern gefragt habe, denn wenn ich das nicht getan habe „dann muss ich ihnen leider sagen ‚Pech gehabt'“. Sie bestätigt mir weiters, dass wenn es Wiener PolizistInnen waren, die Amtshandlung dokumentiert sein muss. Nach einer weiteren Nachfrage bei einer Kollegin findet sie heraus, dass ich bereits ein Email geschickt hätte. Das Gespräch endet mit Verweis auf Antwort via Email.

25.1.2012

Schritt 6

Das von Schritt 2 versprochene den Erhalt bestätigende Bestätitungsemail ist noch nicht gekommen. Ich rufe an und frage nach. Ja, haben sie erhalten, wird bearbeitet. Eine  halbe Stunde später kommt ein Bestätigungsemail.

1.2.2012

Ich erhalte – überraschend zeitnahe – ein Email mit folgendem Inhalt:

Bezugnehmend auf Ihre E-Mail vom 20.01.2012 teilen wir Ihnen mit, dass eine Überprüfung Ihres Vorbringens veranlasst wurde. Dabei wurde festgestellt, dass von der Bundespolizeidirektion Wien keine Kontrollen in fahrenden Zügen durchgeführt werden. Es erfolgen lediglich Kontrollen im Vorfeld, wie z.B. am Bahnsteig oder in unmittelbarer Nähe des Bahnhofs. An dem von Ihnen angeführten Tag fanden auch keine Vorfeldkontrollen der zuständigen Einsatzgruppe statt. Zu Ihrer Eingabe kann daher keine Stellungnahme abgegeben werden, da kein Bediensteter der Bundespolizeidirektion Wien in die von Ihnen dargestellte Amtshandlung involviert ist.

Schritt 7

Gut, wenn’s die Wiener nicht waren, werden es die NiederösterreicherInnen gewesen sein, denke ich mir und schreite zur Tat. Im Landespolizeikommando St. Pölten weiß man zwar sofort was es ist „eine fremdenpolizeiliche Maßnahme“ nämlich, aber sonst sind sie ratlos und schicken mich zur Bundespolizeidirektion St. Pölten.

Schritt 8

Zum ersten Mal, zwei Wochen nachdem mir die Sache widerfahren ist, nennt „die Sache“ jemand beim Namen: AGM – Außgleichsmaßnahme. Als „Ausgleich“ für offene Grenzen. Auch hier werde ich ein wenig im Kreis geschickt, bis ich bei einer Dame lande, die keinen Namen, sondern nur eine Dienstnummer hat. Sie erklärt mir, dass das eine Maßnahme nach dem Sicherheitspolizeigesetz oder Fremdenpolizeigesetz ist, je nachdem ob ich österreichischer Staatsbürger sei oder nicht, aber „sie klingen als wären sie Österreicher“ also wird es wohl eine Personenkontrolle gewesen sein, sagt sie. Gut zu wissen. Aber auch sie weiß nicht, wer genau kontrolliert hat. Sie verbindet mich mit der Verkehrsabteilung.

Schritt 9

Die Verkehrsabteilung der Landespolizeikomandatur NÖ ist die erste tatsächlich hilfreiche Stelle: Er hat zwar nur was mit der Autobahn zu tun, mit dem Zug fährt eine andere Dienststelle, aber er versucht trotzdem herauszufinden, wer’s war. Ich erhalte sogar einen Rückruf, leider mit ernüchterndem Ergebnis: „Von Niederösterreich ist niemand gefahren.“ Er verweist an das Bürgerservice im BMI…

Schritt 10

Das ja meine aller erste Anlaufstelle war. Aus Schritt 5 weiß ich: Wenn es die Polizei war, muss es dokumentiert werden. Ich weiß bereits schriftlich, dass es nicht die WienerInnen waren und mündlich, dass es nicht die NiederösterreicherInnen waren. Langsam ist also auch eine weitere Option möglich: Es waren BetrügerInnen. Ich erzähle also beim BürgerInnenservice des BMI noch einmal meine Geschichte, mit zwei Neuigkeiten: a) Ich verwende das kleine Wort „mutmaßlich“ vor Beamten und b) Ich habe einen offiziellen Schrieb der BPD Wien, der sagt, dass sie’s nicht war. Ich werde gebeten meine Geschichte per Email an die Sektion II.1c des BMI zu senden.

Schritt 11

Schon am nächsten Tag werde ich zurückgerufen. Der freundliche Herr hört sich meine Geschichte noch einmal an und sagt mir, dass Ermittlungen aufgenommen werden.

13.2.2012

Viereinhalb Wochen nachdem mein Ausweis kontrolliert wurde erhalte ich schriftlich Antwort: Es waren die OberösterreicherInnen, die mich kurz nach der Abfahrt Wien kontrolliert haben. Ich werde außerdem allgemein über die gesetzliche Lage aufgeklärt.

Nachdem jetzt endlich geklärt wurde, Beamte WELCHES BUNDESLANDS mich kontrolliert haben, kann ich nach diesem kleinen Umweg jetzt zur eigentlichen Frage übergehen: Was sind die Dienstnummern der amtshandelnden PolizistInnen.

Werde ich die Dienstnummern erhalten? Werden meine Detailfragen zur AGM beantwortet werden? Und: Wie lange wird es dauern? All das und mehr. Stay tuned. Es gibt noch 10 (und mehr) Schritte zu gehen!

Feig. Ein Bericht.

7:20 ÖBB Railjet von Wien nach Zürich, kurz nach der Abfahrt in Wien. Drei in zivil gekleidete Menschen , die nicht aussehen, wie SchaffnerInnen aber auch nicht wie Passagiere, kommen in den Wagon. Für den Bruchteil einer Sekunde stehen sie ratlos im Gang, bis sie sich zu mir drehen. Polizeiliche Ausweiskontrolle. „In was für einem Polizeistaat leben wir eigentlich, dass die Polizei mich ohne Verdacht nach irgendetwas fragen darf?“ – Sage ich natürlich nicht laut. Seit 6 Uhr wach. Viel zu früh für zivilen Ungehorsam, ich zeige meinen Führerschein auf dem der Polizei ein 17jähriger Ich, langhaarig, Palistinensertuch tragend engegenlächelt. Die Polizistin klopft Daten in ihren Computer und gibt mir den Ausweis zurück. Den Personalausweis des im Anzug gegenüber sitzenden RZB Bankers braucht jener gar nicht aus dem Geldbörsel nehmen. Ich greife schon zum Handy um mich per Twitter zu beschweren: „Im Zug von Wien nach Linz werde ich von der Polizei nach einem Ausweis gefragt. #Polizeistaat.“ Aber es geht gar nicht um mich. Denn wen ich erst dann bemerke ist jener Passagier in den Sitzen auf der anderen Seite des Ganges. Ein junger Mann dessen Hautfarbe auf die Unwahrscheinlichkeit schließen lässt, dass seine Großeltern im österreichisch-ungarischen Hoheitsgebiet geboren wurden und der scheckkartengroße, laminierte Ausweis, den er der Polizei gibt, verringert die Wahrscheinlichkeit, dass er selbst hier geboren ist. „Do you have passport“ fragt ein Polizist, während der andere eine clownisch große Lupe zückt. Er sieht sich den Ausweis an und schüttelt dann den Kopf. Noch einmal: „Do you have a passport?“ Der Herr verneint. „Come with us – is that yours?“ deutet der Polizist auf Gepäck im -träger.

Ich sitze daneben. „Gibt’s ein Problem?“ überlege ich die PolizistInnen zu fragen. Dann fällt mir die Regel aus dem Antira Workshop ein, der noch länger her ist als das Führerscheinfoto: Nicht Angreifer angreifen, sondern Opfer unterstützen: „Do you need help?“ Aber ich bleibe stumm. Die PolizistInnen begleiten den Herrn aus dem Wagon. 7:22.

Man hat nicht oft eine Chance, zivil couragiert zu sein. Warum habe ich sie nicht genützt? Natürlich, vielleicht hätte es ihm nicht geholfen hätte ich mich eingemischt, die Situation nur schlimmer gemacht. Aber schlimmer als alleine in einem Land in dessen Sprache man nicht sattelfest ist, drei PolizistInnen gegenüber zu sitzen, die keiner Sprache mächtig sind, die man selbst spricht? Ja, vielleicht hätte die Polizei versucht mir das Leben schwer zu machen. Aber schwerer, als mich mit fadenscheiniger Paragraphenaufzählerei zum Aussteigen zwingen und mich einen Zug später wieder einsteigen lassen zu müssen? 7:23. Ein dicker, kahlköpfiger Mann drängt sich schwitzend in den gerade freigewordenen Sitz, als hätte ich ihn als Stilmittel dazu erfunden.

„Do you need help?“ Stattdessen sitze ich hier und schreibe einen Blogpost. Feig.