Bible Belt

Wenn der Begriff Bible Belt nicht schon existierte, man müsste ihn erfinden. Und ich dachte Wooster hat viele Kirchen…

Nashville ist DIE Glaubenszentrale schlechthin. Der Christian Resources Store LifeWay besitzt acht Blocks in Nashville Downtown. Ihnen gehört eines der prägnantesten Hochhäuser in Downtown, das auf allen seiten ein mit einem Kreuz geschmückt ist. In ganz Downtown fahren Shuttles von Kirchen rum und Kirchen preisen ihre Gottesdienste auf Leuchtreklamen an. Religion ist überall.

LifeWay betreibt einen riesigen Christenbilla, der Jünger mit allem was sie brauchen versorgt. Nicht nur Bibeln und Christian Rock werden verkauft, hier kann man sich auch erkundigen, welche weltlichen Produkte erlaubt sind (Chronicles of Narnia). Am steilsten ist die Kinderecke. Hier werden Gläubige ab 2 Jahren erzogen. Man findet Bücher mit Bibelzitaten für Das Kind das Football/Pferde liebt, Bilderbücher mit biblischen Geschichten und christlich korrekte Spiele, wie „The Settlers of Canaan“ und einer Abwandlug von Risiko. Keine Frage: Das Geburtstagsgeschenk für Clemens ist schon gekauft, übertrifft alle diese Dinge, wird aber hier nicht verraten.

In diesem Setting sollte es nicht einmal enge Bekannte des Blogautors (das bin ich) wundern, dass ich in Memphis – zum ersten Mal in meinem Leben an einem Sonntag – in der Kirche war. Um genau zu sein, in der Full Gospel Tabernacle Church des Soulsänger goes Reverend Al Green. Dieser Satz hat für den/die aufmerksameN LeserIn einige Hinweise darauf versteckt, dass es sich dabei um eine mehrheitlich schwarze Kirche handelt. In mitten einer schwarzen, waldigen Einfamilienhaussiedlung steht die Kirche (auf der selben Nebenstraße gibt es noch zwei andere) und schon von weitem hört man die Band. Die Band ist kein Euphemismus für einen betagten Organisten, der mit Mühe die Tasten gespielt halten kann. Die Band mein genau das: eine E-Gitarre, ein Bass, ein Klavier, ein Schlagzeug und Percussions, die die Stimmung anheizen, bevor die alte Lady ein paar Ankündigungen für die Kirchengemeinde macht. Im Hintergrund sitzt der Reverend und trinkt genüsslich sein Gatorade.
Während ein Bandmitglied vom Gospelchor unterstützt „I’m stronger, wiser, better, much better because of you“ (Ich nehme an, er meint nicht direkt mich) singt, kullern die ersten Tränen. Das Publikum singt nicht nur mit, es macht auch Zwischenrufe (vor allem, wenn der Reverend spricht). Die reichen von einem simplen Amen zu einem Thank You, Lord zu langen und teilweise unverständlichen Sätzen.
Dann ein Solo einer Gospelchorfrau. Ein anderes Chormitglied bricht schwer atmend zusammen. Jesus ist in sie gefahren. Auch die Solistin läuft tief atmend mehrere Runden um die Gläubigen, während der Reverend das Podium betritt. Er begrüßt die Besucher und bittet sie, aufzustehen. Mit mir stehen alle im Raum befindlichen Weißen auf. Er dankt uns und beginnt zu predigen.
Was er genau sagt, verstehe ich leider nicht. Immer wieder beginnt er zu singen, manchmal auch nur eine Zeile, immer begleitet von einem taDusch ähnlichen Betonen durch die Band, immer begleited von Zwischenrufen aus dem Publikum (Wie heißt denn das in richtig kirchensprachlich?). Er scherzt und lacht, ist fröhlich und sieht freundlich drein.
Dann liest er mal eine Stelle aus der Bibel, singt dazwischen mal wieder und lässt Spenden sammeln. Eine alte Frau stellt sich unter Tränen vor den Altar. Der Reverend reicht ihr ohne Umstände das Mikrophon und sie weint, wie dankbar sie ist, dass ihre alte Mutter eine Operation überlebt hat (glaub ich).
Nach zwei Stunden, die wie im Flug (woher kommt eigentlich diese dumme Redensart, als ob im Flug was schnelles wär) vergangen sind, trippelt die alte Frau vom Anfang zum Reverend. Es gibt ein neues Gemeindemitglied. Sie wird sehr herzlich begrüßt und darf ein paar Worte sprechen. Sie singt, wie glücklich sie ist, hier zu sein.
Damit endet mein erster Gottesdienst. Ich ahne, dass zwei Stunden in einer katholischen Messe nicht so schnell vergehen würden.

Mehr Fotos kommen, sobald sich meine Kamera nicht mehr weigert, sich an den Computer anzuschließen…

Fundraising

Ist so amerikanisch, dass es nicht mal ein deutsches Wort dafür gibt. Weil Fundraising ist mehr als Spendensammeln. Fundraising hat nicht unbedingt was mit einem guten Zweck zu tun. Alle machen Fundraising. Colleges wie Parteien. Öffentliche Parteifinanzierung gibt es so gut wie garnicht. Auf dem Steuerformular kann man freiwillig durch ein Kreuzerl etwas in den Public Funding Topf werfen. Im Wert von Dollar 3,-

Und zu so einem Fundraiser durfte ich gestern mitgehen.
Das Setting: ein Nobelrestaurant zu Mittag, geschlossene Gesellschaft. Neben den ca 10köpfigen Parteiangestellten (und mir) haben sich rund 30 mit einer Ausnahme weiße, ohne Ausnahme alte mit zwei Ausnahmen Männer versammelt. Sie sind aus zwei Gründen hier: Am Ende des Mittagessens werden sie einen Scheck abgeben und als kleine Belohnung dafür kommt der Gouvernör von Tennessee (überraschenderweise ein Demokrat und selbst Millionär), schüttelt ihnen die Hand, isst mit ihnen, spricht zu ihnen und anschließend dürfen sie Fragen stellen. Daneben wird wahlweise Steak, Lachs oder Penne geschmaust. Nach einer Stunde ist die Sache vorbei.
Ich weiß garnicht, wo ich anfangen soll, das abstoßend zu finden.

Die Scheks, übrigens, werden am Ende dezent in eine Box geworfen. Die Mindestsumme: 5000 Dollar.

The Volunteer State

Jeder Staat hat ja einen Spitznamen. Ohio ist zum Beispiel The Buckeye State oder auch Birthplace of Aviation. California ist der Golden State und Texas der Lone Star State. Tennessee ist der Volunteer State. Nett irgendwie, so Freiwilligenarbeit. Kann ja keiner was dagegen haben. Nicht bedacht hab ich, dass es sich um Freiwilligkeit im amerikanischen Sinn handelt: Der Staat heißt so, weil sich so viele Tennesseaner freiwillig zum Krieg 1812 gegen Kanada/Groß Brittanien gemeldet haben.
Honestly, who does that?!

Sonst: Erster Arbeitstag ist gut verlaufen. Nettes kleines Büro einer Bezirkspartei, der Communicationsdirector ist nicht viel älter als ich und es tut gut, wiedermal in einem Büro zu sitzen und Positionpapers/GegnerInnenanalyse zu schreiben. Nashville ist wirklich Honkey Tonk Stadt Nummer Eins. Ich freu mich schon, sie alle zu erkunden.

We are sorry for the delay in answering your call. To speak to a sales represenative, please hold.

Was die Frau mit Südstaatendialekt mir alle 3 Minuten sagt, ist, wenn man in den USA ist, bereits ein Erfolg. Es hat mich 10 frustrierende Minuten gekostet, überhaupt in die Warteschleife zu gelanden. Der neueste Hit im Callcenter: Automatische Stimmerkennung.
Habe ich schon mal erwähnt, dass ich Fluggesellschaften hasse?
Gestern habe ich vorsorglich die Homepage von American Airlines gebeten, mich anzurufen, wenn mein Flug gecanceled wird. Ich wache von einem Handyläuten auf, das mir die Nachricht einer Maschine auf der Mailbox hinterlässt: Ihr Flug wurde gechancelled. Wenn sie umbuchen möchen bitte rufen sie (Es folgt die Ansage einer Nummer, die so schnell und maschinell ist, dass man sie unmöglich auf Papier bringen kann).
Ich finde die Nummer anderswo und rufe an. Por hablos Espaniol pessionel Duos. If your call has something to do with reservations, say reservations. I’m sorry, I didn’t get what you were saying. Did you say reservations? Please say Yes or No. Do you want to make a new reservation, change reservation or track a flight? I’m sorry, I didn’t get what you were saying. Did you say change reservation? Please say Yes or No. Please tell me your flight number. I’m sorry, I didn’t get what you were saying, please tell me your flight number. Please tell me if I got it right: Flight 10 from Los Angeles, California. NOOOO. I’m sorry, I didn’t get what you were saying. Please tell me the date of you reservation. I’m sorry, I didn’t get what you were saying. I seem having trouble understanding you. Do you want to speak with a representative? YEEEEES (endlich), please hold. Your waiting time is approximately 18 Minutes.

Ich kann mir keine 18 Minuten auf meinem Prepaidhandy leisten und lege auf. Muss die ganze Quälerei nochmal via Skype durchleben, um dann zu erfahren, dass meine Wartezeit 8 Minuten beträgt. Nach 15 Minuten meldet sich jemand. Anders, als befürchtet, ist das umbuchen relativ einfach. Ich erwische den letzten Platz auf einer Maschine morgen Abend. Mal sehen…Ich hasse Fluggesellschaften. Mit oder ohne automatischem Callcenter.

Nachtrag: Warum der Flug gechanceled ist? 1 Meter Neuschnee. Das bedeutet nicht nur Sichtschwierigkeiten, sondern auch, dass die Hälfte der Passagiere nicht zum Flieger kommt, weil sie von außerhalb kommen und die Straßen nicht geräumt sind. Warum sind die Straßen nicht geräumt? Weil der Staat ja den hartarbeitenden AmerikanerInnen nicht einfach das Geld wegnehmen kann. AmerikanerInnen wissen viel besser als der Staat, was sie mit ihrem Geld anfangen. Straßenräumen gehört nicht dazu.