Digitales Biedermeier

Ich halte ja nicht besonders viel von Prophezeiungen über die Zukunft des Webs. Wie Ingrid Brodnig erst vor wenigen Tagen festgestellt hat: Ginge es nach JournalistInnen wäre Facebook seit ca. 2009 dem Untergang geweiht. Aber gestern, bei einer Diskussion der Veranstaltungsreihe 2020 zum Thema Digitales Vertrauen hab ich mich zu was hinreissen lassen, was mir eh schon länger durch den Kopf schwirrt. Und weil’s mir recht schön gefällt, will ich dass ich der erste sein, der’s geschrieben hat: Die nächste Iteration des Web ist ein Digitales Biedermeier. Menschen ziehen sich immer mehr aus dem öffentlichen digitalen Raum zurück. Eine Person im Publikum hat mich viel schöner zusammengefasst, als es tatsächlich aus meinem Mund gekommen ist:

Nicht, dass uns das weniger verwundbar in Sachen Überwachung und Datenkrake machen würde, aber was Jugendlichen in den letzten 3-5 Jahren eingehämmert wurde, war: Mach dich nicht öffentlich und das haben sie sich gemerkt. Seit Google+ Kreise eingeführt hat, setzt auch Facebook verstärkt auf Listen, die Zuckerberg zuvor noch als unnötig abgetan hat. Das SMS Service Whatsapp ist noch kleinteiliger: Dort wird überhaupt nur mit einer hand voll FreundInnen gleichzeitig geschrieben. Sie ziehen sich zurück und sind sich ihrer Öffentlichkeit bewusster, als wir Erwachsene glauben. Sollten Jugendliche Trendsetter im Web sein (und eigentlich sind sie das selten hustNetloghust), dann ist das neue Zeitalter in das wir uns bewegen dominiert von in Privaträumen zurückgezogener Kommunikation. Das würde ich Digitalen Biedermeier nennen.

You heard it here first.

USA2012 – The Blog

As discussed just the other day – recently I’m writing mostly not on this blog. Umso mehr am I happy to direct you to my new blog project I started with Josef Barth and Stefan Bachleitner. USA2012.at will cover the US elections from a campaigning point of view. We will present a campaign strategy every Sunday, the Pick of the Week on Monday presents a primary source article and gives some background, Wednesday is our Video-Wednesday and in between we try to write what every we care about. I, for example, just went to the CampaignTech conference last week and blogged about that.

Please check it out, follow us on Twitter and like us on Facebook too!

„Don’t tax me, bro!“

Für die erste Ausgabe des Progress habe ich einen Artikel über die amerikanische Gesundheits(versicherungs)reformdebatte (oh wie ich Hauptwortketten liebe) geschrieben. Hier die uneditierte Version:

Die USA sind die einzige Industrienation, die keine allgemeines, staatliches Gesundheitswesen hat. Barack Obama ist nicht der erste Präsident, der sich an einer Gesundheits(versicherungs)reform versucht, aber er ist “entschlossen, der letzte zu sein.” Ob ihm das gelingt, ist fraglich, Regierungsparanoia und Rassismus stehen im Weg. Vor allem aber die Unentschlossenheit in seiner eigenen Partei.

Seit seiner Wahl bringt John Dingell am Beginn jedes parlamentarischen Jahres ein Gesetz zur Abstimmung, das eine umfassende Gesundheitsversicherung für alle einführen würde. Das Gesetz wurde schon von seinem Vater, einst selbst Parlamentarier, geschrieben und eingebracht. John Dingell ist der längstdienendste U.S. Kongressabgeordnete — aller Zeiten. Er sitzt seit 54 Jahren am Capitol Hill.

Es gibt kaum einen Präsidenten in den letzten 100 Jahren, der sich nicht an einer Gesundheitsreform versucht hat. Zuletzt erfolgreich war Lyndon B. Johnson im Jahr 1965, als er eine staatlich geführte Versicherung (Medicare) für alle AmerikanerInnen über 65 Jahre einführte. Bill Clinton war der letzte, der an einer Gesundheitsreform gescheitert ist. Die damalige First Lady Hilary Clinton stand einer Taskforce vor, die eine für alle verpflichtende Versicherung vorschlug. RepublikanerInnen und die Versicherungsindustrie liefen Sturm. Die “Harry and Louise” TV Werbungen der Versicherungsindustrie, in denen ein mittelständisches Ehepaar über Rechnungen stöhnt und klagt, dass es sich seinen Doktor nicht mehr aussuchen kann, sind mittlerweile ein Dokument amerikanischer Zeitgeschichte. Die Reform wurde – trotz demokratischer Mehrheit in beiden Kammern – auf Eis gelegt, die nächste Wahl 1994 wurde zum Debakel für die Demokraten.

…beim zweiten Mal als Farce

Die Ramenbedingungen für Präsident Obama waren ähnliche, wenn nicht bessere. Wie damals war die Reform ein Thema in den Vorwahlen und in der Kampagne, wie damals sind beide Kammern demokratisch dominiert. Anders als damals war in der Öffentlichkeit ein Problembewusstsein vorhanden und die öffentliche Meinung für eine Reform. Anstatt selbst eine Taskforce einzurichten, entschied sich der Präsdent diesmal das Parlament zu beauftragen, eine Lösung zu entwickeln. Mit dem Hintergedanken, den Gegnerinnen möglichst wenig Zeit zu geben, war seine einzige Vorgabe, eine Gesetz vor der Sommerpause im August zu beschließen. Zu Beginn schaffte es Obama gar, die Versicherungsindustrie und andere Stakeholder ins Boot zu holen. Zum Leidwesen der Linken, die es trotz anderslautenden Gerüchten in den USA durchaus auch gibt, wurde ein “Single-Payer-Plan” – der Staat als einziger Versicherer – von Anfang an ausgeschlossen. Stattdessen sah der Plan vor, eine “Public Option” neben den privaten Versicherern einzuführen.

Die RepublikanerInnen, in der Hoffnung 1994 wiederholen zu können, sahen sich gezwungen, anfangs ausschließlich die Geschwindigkeit der Reform zu kritisieren, womit sie zumindest eine Verzögerung erreichten. Gleichzeitig mit den ersten BürgerInnenversammlungen mit Abgeordneten, veröffentlichte die gescheiterte Vizepräsidentschaftskandidatin Sarah Palin auf ihrer Facebookseite ein Statement, das behauptete, die Reform würde alte oder behinderte Menschen vor “Death Panels” stellen, die die notwendige medizinische Unterstützung verweigern würden. Der wahre Kern hinter diesem Vorwurf ist eine Klausel, die ÄrztInnen erlaubt, Beratung über lebenserhaltende Maßnahmen mit der staatlichen Versicherung abzurechnen. In den Town Hall Meetings begannen wütende (weiße) Menschen, Palins und andere Unwahrheiten lauthals zu verkünden. Demokratische Kongressabgeordnete, die in der Sommerpause in ihre Bezirke zurückgekehrt waren, sahen sich mit Faschismus- und Sozialismusvorwürfen konfrontiert. Die amerikanischen Medien, die sich auch ohne Sommerloch auf alles stürzen was laut ist, verstärkten ihre Stimmen und plötzlich schien die öffentliche Meinung zu kippen. Konservative DemokratInnen, die Angst um ihre Wiederwahl hatten, begannen vom Herzstück der Reform Abstand zu nehmen.

“Big Government”

Die Faschismusvorwürfe wurden aber nur bedingt von den Fehlinformation gespeist. Im Geschichtsverständnis der RepublikanerInnen dürfte nicht der Mord an 6 Millionen JüdInnen das furchbarste am Naziregime gewesen sein, sondern das “Big Government”. Das ist der Kitt, der die rechten Proteste zusammenhält. Egal ob Konjunturpaket, Emissionsrichtlinien oder Gesundheitsreform, die Gegerin der Amerikanischen Freiheit ist die Regierung. Deshalb richtete sich die Demo am 12. September, mobilisiert von FOX News Demagoge Glenn Beck, auch nicht ausschließlich gegen die Gesundheitsreform. Das Datum war nicht zufällig gewählt: Die 9/12ers wollen an den Tag nach den Terroranschlägen zurück, an dem “United we stood.” Bilder von einer in Tränen aufgelösten Frau schafften es in die Abendnachrichten: “I want my country back.” Was sie nicht dazu sagen muss: Von dem Schwarzen. Auch wenn der Präsident selbst es abstreiten muss, um nicht schon wieder vom Thema abzulenken: Rassismus spielt eine Rolle in den derzeitigen Protesten. Die 9/12er sind zu einem übergewichtigen Teil Weiße aus dem agrarisch geprägtem Mittelwesten, auch einige Südstaatler haben die weite Reise in die Hauptstadt gewagt, um “Don’t tax me, bro” Schilder zu tragen. Auch jener Kongressabgeordnete, der den Präsidenten während dessen Rede vor beiden Kammern der Lüge bezichtigte, ist nicht unbescholten: Er stimmte im Jah 2000 dagegen, die Konföderiertenflagge vom Parlament seines Heimatstaates zu entfernen — jene Flagge unter der die Südstaaten im BürgerInnenkrieg für Sklaverei kämpften. Mit seinem Zwischenruf „You Lie!“ hat er erreicht was er wollte: Die Medien beschäftigten sich nicht mit der Rede des Präsidenten, sondern reden über Verfall von Diskussionskultur. Es ist das zweite Mal, dass der Präsident nicht mit seiner Botschaft zur Gesundheitsreform durchgekommen ist. Bei einer Pressekonferenz zum Thema im Juli ließ er sich kurz vor Schluss zu einem Kommentar über den Arrest eines (schwarzen) Harvard-Professors in seinem eigenen Haus hinreißen und sorgte damit dafür, dass sich die Medien in den Tagen darauf nicht mit Gesundheitsreform beschäftigten.

“I’m not member of an organized political party. I’m a Democrat”

Zwar sind Rassismus, “Big-Government”-Ängste und eine überaschend schwache Kampagnendiszipin Erklärungsmuster für das mögliche Scheitern der Gesundheitsreform, aber keine Entschuldigung für die DemokratInnen. Mit einem überwältigenden Überhang von 70 Stimmen im RepräsentatInnenhaus und einer 60:40 Mehrheit im Senat haben sie so viele Stimmen, wie nie zuvor. Die RepublikanerInnen haben mehr als einmal bewiesen, dass sie keinem Gesetz zustimmen werden, das das marode Gesundheitssystem grundlegend verändert, manche DemokratInnen halten aber noch immer an einem parteiübergreifenden Gesetzesvorschlag fest: Große Koalition auf Amerikanisch. Ob das Amerika bis Thanksgiving – Obama’s nächster Deadline – eine Gesundheitsreform bringt, ist fraglich.

Homepage Update 2

Neu auf der Homepage ist eine Unterseite „Politik 2.0“ dort befindet sich alles zur White-Paper-Reihe desselben Namens mit dem Untertitel: Politische Kommunikation im Web 2.0. Die Reihe sieht sich in jedem Paper eine Plattform/Applikation/Kanal (ich hab das richtige Wort noch nicht ganz gefunden) an und analysiert, wie PolitikerInnen es bereits verwenden und welche Ableitungen man daraus treffen könnte. Bis jetzt erschienen: Das Einleitungspaper und jenes zu Twitter. Mehr dazu hinter diesem Link oder über die Menüleiste.

HofnärrInnen statt InterviewerInnen

(Fernseh)Interviews sind so eine Sache. Der/die JournalistIn will dem/r PolitikerIn ein möglichst knackiges/exklusives/sensationelles Zitat entlocken. Der/die PolitikerIn will sich nicht aus dem Konzept bringen lassen und seine/ihre drei Botschaften möglichst ungefiltert an das Zielpublikum bringen und sonst möglichst kein Aufsehen erregen. Diese beiden Motivationen finden meistens keinen gemeinsamen Nenner. Dadurch „gewinnt“ meist die interviewte Person. Sie gibt klassische ein Satz-drei Sätze-Antworten: Ein Satz der die Frage in irgendeiner Form mit den drei Sätzen verbindet, die sie eigentlich unterbringen will. Das liegt am journalistischen Selbstverständnis von InterviewerInnen: Sie müssen meinungsfrei sein. Was bei journalistischen Texten und Beiträgen wichtig ist, ist bei Interviews ein Dilemma. PolitikerInnen nutzen diese Meinungslosigkeit aus, um ihre vorbereiteten Antworten unwidersprochen zu platzieren. Dazu kommt, dass in Fernsehinterviews die Zeit beschränkt ist und das Nachboren dadurch oft unter den Tisch fällt. Sechs Minuten Interviews im Fernsehen sind damit obsolet geworden.

Wodurch sollte man sie ersetzen? Durch Hofnarren. Das meine ich nicht abwertend gegenüber den InterviewerInnen, das meine ich im ursprünglichen Wortsinn. Hofnarren war es erlaubt, sich über den Hof lustig zu machen. Nur dadurch sind PolitikerInnen aus dem Konzept zu bringen. Die besten Interviews, die ich in letzter Zeit gesehen habe, waren nicht auf ORF oder CNN, sondern auf Comedy Central. Jon Steward hatte in den letzten Monaten einerseits Jim Cramer, Moderator von MSNBC und Cliff May, Vorsitzender einer Folter befürwortenden NGO (Foundation for Defense of Democracies) zu Gast. Hätte irgendjemand anderes diese Interviews geführt, sie wären niemandem im Gedächnis geblieben. Weil sie Jon Steward nicht als Interviewer sondern als Hofnarr geführt hat, kamen beide InterviewpartnerInnen mit ihren eingeübten Phrasen nicht durch und mussten off script gehen.

Paroli bieten! Sollte also die erste Regel von (Fernseh)InterviewerInnen sein. Es muss ja nicht gleich ein sich über den/die PolitikerIn lustig machen sein – wobei die Funtkion des Hofnarrs die Position als Diskutant noch verstärkt. Denn wer es noch dazu schafft, PolitikerInnen zum Übersichselbstlachen zu bringen hat den Grundstein für knackige/exklusive/sensationelle sechs Minuten gelegt. Aber wollen wir mal nicht zu viel verlangen. Erster Schritt:  Meinung beziehen und vertreten! Die journalistische Objektivität kann ja dadurch gewahrt werden, dass immer eine andere Meinung vertreten wird.

Die Argumente des obigen Texts treffen im Übrigen nur auf Interviews, nicht auf Moderationen zu. Mitdiskutierende ModeratorInnen füren zu unmoderierten und dadurch unansehbaren Diskussionen *räusper*Club2*räusper*.

10 Thesen für eine bessere Uni – Thesen 10 plus

Ich gehöre zu den Menschen, die sich immer schon gewundert haben, warum man sich als ersten Wunsch von der Glücksfee nicht einfach unendlich viele Wünsche wünscht. Dementsprechend sind hier kleinere Thesen als eine zehnte zusammengefasst.

 Textbasierte Vorlesungen

Vorlesungen sind autodidakte Lehrveranstaltungen. Das heißt, man muss nicht hingehen. Aus einem mir nicht nachvollziehbaren Grund werden Studierende dennoch gezwungen in VOs zu gehen, weil es für viele einfach kein Skriptum gibt und sich Studierende auf schlecht zusammenfassende Mitschriften von KollegInnen verlassen oder selbst in die VO schleppen müssen. Selbst wenn man ProfessorInnen die Faulheit zugesteht, kein Skriptum für ihre Vorlesung zu schreiben, sollte dennoch Pflicht werden, eine Basis an Texten zu veröffentlichen mit Hilfe derer die Prüfung ohne Anwesenheit in der VO mit einem Sehr Gut bestanden werden kann. Wenn man besonders studierendenfreundlich ist, könnte man den Stoff noch auf eine gewisse Seitenanzahl beschränken. Wir wollen aber nicht übermütig werden.

 Studierende sind keine Bürde

Ich hätte gerne an einer Uni studiert an der ProfessorInnen Studierende nicht als Bürde ansehen. Ja, eine Stunde Sprechstunde in der Woche hält vom Schreiben und damit Publizieren ab. Ich weiß, ich bin nicht der einzige StudentIn, der Ihnen ein Email schreibt, aber in 48 Stunden kann das wohl beantwortet werden. Und wenn sie schon „Herr Kollege“ zu mir sagen, dann meinen sie das doch auch so. Nur ein bisschen.

 Einrichtung eines Learning Centers

Das steht wirklich ganz ganz unten auf der Liste. Aber irgendwann, wenn alle anderen Verbesserungen erreicht sind, könnte man anerkennen, dass manche Studierende Lernschwächen haben könnten und trotzdem eine Daseinsberechtigung an der Uni haben. Wenn man diesen Schritt getan hat, dann könnte man ein Learning Center einrichten, in dem man diesen Studierenden einen Rahmen gibt in dem sie die Prüfung absolvieren können, etwa durch Ausdehnung der Prüfungszeit. Dort könnten die Studierenden dann auch hingehen, um ihr Lernen zu verbessern, sich neue Techniken anzueignen.

 Weg mit der Bürokratie

Ich habe am 18. Juni mein Diplomarbeitsthema eingereicht. Genau zwölf Monate später werde ich meine Sponsion haben. In den ersten sechs Monaten habe ich 20 Stunden gearbeitet, 16 Semesterwochenstunden absolviert und 130 Seiten Diplomarbeit geschrieben. In den folgenden sechs Monaten habe ich auf Formulare gewartet, sie abgeholt, gewartet, unterschreiben lassen, abgegeben gewartet und abgeholt. Die Bürokratie (vor allem) am Ende des Studiums macht dieses unerträglich und unnötig lang – aber auch wesentlich leichter.

10 Thesen für eine bessere Uni – These 9: BibliothekarInnen als Ressource

Mein Studium ist vorbei und diese 10 Thesen auch bald. Die 8. war bisher die umstrittenste, vor allem, weil es bereits nicht funktionierende übergreifende Eingangsphasen gibt (etwa auf der WU und auf den Sozialwissenschaften der Uni Wien). Deshalb eine Klarstellung: Diese Thesen umgesetzt sind noch nicht das Maß aller Dinge. Wir wissen, dass was österreichische Unis umsetzen meistens in die Hose geht. Zwischen Theorie und Umsetzung ist ein großer Schritt. Zwischen Umsetzung und guter Umsetzung ein noch einmal so großer.

These 9: BibliothekarInnen als Ressource, nicht als VerwalterInnen

Die wichtigste Institution des akademischen Schreibens sind die Bibliotheken. Leider sind viele der Fachbibliotheken an der Uni Wien keine Bibliotheken sondern nur Räume in denen Bücher stehen. Die besseren Bibliotheken sind zumindest gleichzeitig Arbeitsräume für Studierende – allerdings nur für die einsamste aller Arbeiten: dem Schreiben. Nachdem LehrveranstaltungsleiterInnen zum Leid vieler Gruppenarbeiten eingeführt haben hätten die Bibliotheken längst reagieren müssen und Gruppenarbeitsräume einrichten müssen. Denn von den Studierenden eine Sozialform abzuverlangen, aber nicht einmal den Hauch einer Infrastruktur dafür zur Verfügung zu stellen ist eigentlich ein Witz. Das Argument des fehlenden Raumes sei der Fairness halber erwähnt. Eine Verbesserung ist allerdings sehr schnell, sehr leicht zu treffen: In Moment sind die BibliothekarInnen vor allem BücherschlichterInnen und EinordnerInnen. Die einzige Auskunft, die sie einem/r wissenschaftlich arbeitenden Studierenden geben können ist, in welchem Regal das Buch steht. Das ist eine Verschwendung an Potential. Alle Angestellten in den Fachbibliotheken sollten ebenfalls das sein: vom Fach. Sie sollten Studierenden als Ressource dienen, als Recherchehilfe. Natürlich können sie nicht zu jedem Thema SpezialistInnen sein, aber sie sollten einen grundsätzlichen Überblick  über Forschungsliteratur, aktuelle Diskurse, Fragestellungen haben und damit Studierenden als erste Anlaufstelle bei Rechercheproblemen dienen.

10 Thesen für eine bessere Uni – These 8: Orientierungsphase sinnvoll gestalten

Mein Studium ist vorbei und heute Abend auch die ÖH Wahlen. Wer auch immer die nächsten zwei Jahre in der Studierendenvertretung verbringen wird, muss sich mit Zugangsbeschränkungen auseinandersetzen. Mein Luxus ist, dass – nachdem ich nicht mehr in der ÖH aktiv bin – nicht mehr dogmatisch gegen Zugangsbeschränkungen sein muss (auch wenn ich es zu weiten Teilen bin), deshalb geht es in folgender These NICHT darum, gegen Zugangsbeschränkungen in Orientierungsphasen zu argumentieren, sondern für Orientierungsphasen, die Studierende orientieren und ZuGaBe weitgehend zu ignorieren. 

These 8: Orientierungsphase sinnvoll gestalten

Orientierungsphasen sind der neueste Trend an der Uni Wien. Sie sind eine einfache Möglichkeit für die Uni, lang ersehnte Zugangsbeschränkungen einzuführen („Nicht nur die Studierenden orientieren sich, ob das Studium das Richtige für sie ist, auch die Uni orientiert sich, ob Studierende das Richtige für sie sind). Auch wenn ich Zugangsbeschränkungen sehr kritisch gegenüberstehe, sollen sie hier nicht die Debatte prägen. Zugangsbeschränkungen sind nur ein kleiner Teil der Thematik Orientierungsphase.

Woran bei den Diskussionen um Orientierungsphasen nie gedacht wird, ist die Situation nach der negativen Orientierung. Damit meine ich, was ein/e StudierendeR macht, wenn er/sie sich gegen die Studienrichtung entschieden hat oder auch die Uni sich gegen den/die StudierendeN entschieden hat. Zu dem Zeitpunkt, wo die Entscheidung gefällt ist, sind nämlich alle anderen Orientierungsphasen auch schon angelaufen und der/die Studierende muss ein Semester warten, um sich in die nächste Orientierungsphase zu stürzen. Die Entscheidung für ein Studium muss man absurderweise noch immer vor der Orientierungsphase treffen. NACH der Orientierungsphase kann man sich nicht für Studium A oder B entscheiden, sondern nur mehr für oder gegen Studium A.

Dieses Dilemma ist leicht aufzulösen: Die Entscheidung für eine Studienrichtung soll erst nach einer Orientierungsphase fallen müssen. Es gibt genug Lehrinhalte, die in einem ersten Semester disziplinübergreifend gelehrt werden können und die in einer solchen allgemeinen Orientierungsphase abgewickelt werden können. Dabei will ich die Uni in ihrer Phantasie nicht überfordern: Die allgemeinen Orientierungsphasen können durchaus in größere Disziplinen (Fakultäten) unterteilt werden, wie ja auch die Interessen der Erstsemestrigen meist in eine Richtung gehen. Es soll aber durchaus möglich sein, Lehrveranstaltungen aus absolut anderen Disziplinen anzusehen.

Konkret: Im ersten Semester machen Studierende eine Hand voll Kernlehrveranstaltungen der jeweiligen Fakultät; Sozialwissenschaftliches Arbeiten, Methoden, Wissenschaftstheorie, etc. Zusätzlich dazu besuchen die Erstsemestrigen je eine Lehrveranstaltung aus zwei bis vier Studienrichtungen ihrer Wahl, die ihnen natürlich im späteren Studienverlauf problem- und bürokratielos angerechnet werden. Als begleitende Maßnahme besuchen sie ein Tutorium, das von einem/r Doktoratsstudienden geleitet wird und in dem sie über Studienwahl, Startschwierigkeiten, etc. mit Studierenden interdisziplinär reflektieren. Nach einem Semester entscheiden sie sich dann für eine Studienrichtung.

10 Thesen für eine bessere Uni – These 7: Shopping Week

Mein Studium ist beendet. Endlich ist Zeit ständig über lange Wochenenden auf Kurzurlaub zu fahren. Daher heute zum ersten Mal seit einer Woche eine neue These.

 

These 7:  Shopping Week

 

Der Weg weg von Referaten hin zu Texten und weg von Seminararbeiten hin zu Essays hätte noch einen Vorteil: Studierende könnten vor Begin der Lehrveranstaltung besser einschätzen, ob sie ihren Vorstellungen entspricht. Bisher gibt es über die Lehrveranstaltung nicht viel mehr Informationen als den Titel. Das wäre nicht so schlimm, könnte man sich die LV für eine gewisse Zeit ansehen. Das wird aber durch die Anmeldephase vor Beginn des Semesters verhindert: Zwar kann man sich gegen eine Lehrveranstaltung entscheiden, aber nicht ohne sein Studium zu verzögern.

Diesen blinden Entscheidungen für  Lehrveranstaltungen kann eben dadurch entgangen werden, dass Lehrende vor Beginn des Semesters den Seminarfahrplan mit Angaben zu zu lesenden Texten online stellen. Zusätzlich dazu sollte die Anmeldephase in die zweite oder dritte Semesterwoche verschoben werden. Zugegeben, ein Alptraum für jene Kräfte an der Uni, die Qualität gerne mit Zahlen ausdrücken und unter dem Schlagwort „Planbarkeit“ die Anmeldesysteme in ihre Kontrolle gebracht haben. Dennoch: Studierenden die Möglichkeit zu geben, eine Lehrveranstaltung und ihre/n -leiterIn ein bis zwei Wochen lang anzusehen, bevor sie sich ein ganzes Semester verpflichten würde die Uni ein großes Stück besser und Studierende ein großes Stück interessierter machen.

10 Thesen für eine bessere Uni – These 5: Mehr Texte in Seminaren

Mein Studium ist zu Ende. Nachdem ich mir nicht zu blöd war mit Emails diverse Personen zu nerven, durfte ich mir gestern mein Zeugnis holen und mich daher schon ab gestern und nicht erst ab in 4 Wochen offiziell Magister nennen. Die folgende These wird unter Umständen von Menschen unterschiedlicher Studienrichtungen unterschiedlich bewertet. Aus germanistischer und historischer(*hust*lehramtlicher*hust*) Sicht lautet sie wie folgt:

These 5: Mehr Texte in Seminaren

Eine Problematik, mit der sich die Unis in Österreich seit neuestem beschäftigen, ist die Frage, wie „Forschungsgeleitete Lehre“ funktionieren kann. Die einfache Antwort: Gebt uns aktuelle Artikel und Bücher/Kapitel zu lesen! Eine Studienkollegin von mir muss für ihre Diplomprüfung in einer Sprachwissenschaft einen Artikel lesen, in dem sinngemäß steht: „Bald werden silberne Scheiben, von denen der Computer mit Laser Daten ablesen kann, die Verwendung von Wörterbüchern revolutionieren.“ Es wäre schön, könnte diese Geschichte als Ausnahme vom Tisch gewischt werden. Die gute Nachricht ist: Diese Lehrperson arbeitet zumindest mit Artikeln/Kapitel. Das ist nicht immer der Fall. Oft gibt es nicht einmal Literaturlisten in Seminaren (geschweige denn aktuelle), viele Studierende können keine fünf akademischen Journale ihrer Disziplin aufzählen, weiß selten was der/die ProfessorIn eigentlich forscht und wissen nicht über aktuelle Publikationen Bescheid. Das ist nicht ihre Schuld. Es ist die Schuld der Referatskultur (siehe These 1). Wäre es nicht viel sinnvoller, anstatt sinnloser wöchentlicher Referate zur Vorbereitung des Themas jede Woche ein bis zwei Texte zu lesen zu geben? Bisher wurden Referate – angeblich um den Teilaspekt eines Themas zu beleuchten – gehalten und danach (irgendetwas) diskutiert. Die DiskutantInnen (also alle nicht referatshaltenden Studierenden, die die Scheu vor dem in der LV den Mundaufmachen überwunden haben) hatten dabei zwei Ressourcen für ihre Argumente: Das Referat, dessen durchschnittliche Qualität im Laufe dieser Thesen bereits mehrfach angezweifelt wurde, und ihr Vorwissen – beides keine besonders stichhaltigen Quellen. Würde man Studierenden statt Referate Texte vorlegen, wäre die Diskussion im Seminar qualitätvoller und die Summe aller Teilaspekte nachhaltiger vermittelt, als durch schlecht gehaltene Referate.