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Vermischtes 3

Am Dienstag fliege ich nach Washington, D.C. zu einer Podiumsdiskussion zum Thema Europäische Freiwillige in US Wahlkampagnen. Ich diskutiere mit 10 anderen EuropäerInnen. Organisiert wird das ganze von der Bertelsmann-Stiftung.

Am Wochenende fahre ich dann nach Cincinnati zu Martina, einer lieben Fulbright Kollegin. Diese Amis sind schon manchmal witzig. Ich hatte das Angebot, mit einer Studentin zu fahren, aber sie würde mich auf einer Autobahnstation rauslassen, weil Cincinnati so einbahnig ist. Es sind zwar Autobahnstationen näher bei der Stadt als bei uns, aber trotzdem gibt es da keine FußgängerInnenabgänge in die Stadt.

Unser Literaturmagazin ist fertig und wunderschön. Für eine meiner Lieblingsseiten haben wir eine Zeichnung von Clemens verwendet, der gerade der total angesagte Zeichner für diverse Magazine ist. Gratuliere nochmal!

Heute war ich bei einem Hight School Musical. Bye, Bye, Birdie in der Dayton High School. Wow, diese High School war wie im Film: Handgemalte Poster überall, ein riesiges Auditorium, eine Vitrine mit allen Sportauszeichnungen, Spinde, High School Kids…

Übrigens: Wenn ihr weiterhin großartige Geschichten von Ausgereisten lesen wollt, solltet ihr diesen Blog abonieren. Ja, man kann Blogs abonieren. Dazu sind sie da.

Zum Altwerden

Manchmal, nur ganz selten, also eigentlich glaube ich heute zum ersten Mal und es soll nicht so schnell wieder vorkommen, keine Sorge, fülle ich diesen Blog mit geistigen Ergüssen, die mich so beschäftigen und trotzdem nichts mit den USA zu tun haben.

Alt werden.
Ich bin ja, man mag es kaum glauben, seit Dienstag in einem wirklich recht reifen Alter (Zugegeben, ein recht billiges Fischen für verspätete Geburtstagswünsche). Tatsächlich ist die Hürde 26 eine ganz besondere: Es ist die letzte. Mit 12 darf man vorne sitzen im Auto. Mit 14 oder 15 darf man jobben, dann mit 16 kann man einen ganzen Haufen machen, trinken, rauchen, Moped fahren, wählen. Mit 18 kann man Autofahren und ist erwachsen. Mit 21 darf man dann auch in den USA trinken, mit 25 dort auch ein Auto ohne sauteure Zusatzversicherung ausborgen. Und mit 26 wird das Leben teuer. Keine Vergünstigungen mehr, kein StudentInnenticket mehr, bald keine Familienbeihilfe mehr. Mit 26, da ist man dann tatsächlich erwachsen.

Bumpersticker

Bumpersticker, also Stoßstangenaufkleber, sind der Renner in den USA. Den „Republicans for Voldemort“ hab ich ja schon im Herbst irgendwann online gestellt, glaub ich. Bumper Sticker habenein unglaubliches Spektrum. Natürlch gibt es da die klassischen Sticker der Schule bzw. die Eltern haben einen „Proud Mom of a College of Wooster Student“. Die Palette reicht aber weiter von unpolitisch bis ungut, von unerträglich über ungut (Big Government is the opiate of the masses) bis hin zu lustig (Political Correctness means always having to say „I’m sorry“). Liberal, Konservativ, geeky. Alles dabei. Auch werden auf manche Sticker Antworten produziert. Zum Beispiel folgende:



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Und Just for Fun:

Update: Sie wünschen, wir spielen. Innerhalb von Sekunden. Über einen Ozean. Hier der verlangte Bumpersticker (Im Eck sieht man noch das Ende des Bumperstickers: Pro-Life and Pro-War? I’m Anti-Hypocrite, thanks.)

Sport Seasons

Heute hat die Lacrosse Season angefangen. Das bringt zwei Fragen auf:
1) Ich habe den Eindruck, dass eine Sportsaison fließend in die nächste übergeht, stimmt das, Experte Yussi?
2) Was zur Hölle ist Lacrosse?

zum Ersten:

LiebEr LeserIn,
Das hast du ganz richtig erkannt. In den USA kann man Fan aller Sportarten sein, weil sie sich recht praktisch über das ganze Jahr erstrecken. Pro Monat sind ca 4 Sportarten gleichzeitig in Saison, also gerade so viel, dass man jeden Tag ein Spiel sehen kann. Im September ist die Football Saison, sowohl auf College, als auch auf Profiebene. Gleichzeitig läuft gerade die Baseball Saison aus, die den ganzen Sommer über gelaufen ist. Eishockey beginnt dann im Oktober, Basketball im November. Im Dezember startet dann die College Basketballsaison, die aber erst nach Februar wichtig wird, wenn nämlich die Superbowl und damit die Football Saison vorbei ist. In der kurzen Zeit zwischen Februar und März, wenn die „March Madness“ beginnt, kommt auch Eishockey kurz in den Genuss der öffentlich Wahrnehmung. Seit die Spieler der NHL vor ein paar Jahren durch einen Streik eine Saison ausfallen haben lassen, ist die NHL allerdings nicht mehr so interessant. Die sogenannte „March Madness“, also die Finalspiele des College Basketball beendet diese Saison. Gut, dass Ende März Lacrosse beginnt und im April die Baseball Saison. Nascar wird sowieso ƒast das ganze Jahr gefahren.
Ein Phänomen im Collegesport ist „Ultimate Frisbee“, zwar an keinem College ein offizieller Sport, gibt es doch an jedem College eine stattliche Anzahl an SpielerInnen, die auch Turniere austragen. Für heute, liebeR interessierte LeserIn, will ich aber beim Erklären einer Sportart bleiben.

Lacrosse ist, soweit ich es verstanden hab, Eishockey am Feld. Sportinteressierte LeserInnen mögen an dieser Stelle sagen: Ha, aber ich dachte es gibt schon Feldhockey. Kann ich nur sagen: Stimmt, ich weiß auch nicht genau, warum man zwei Sportarten dazu braucht, Eishockey zu ersetzen. Lacrosse erkennt das Laienauge schnell an dem unüblichen Schlägerteil (links) zu erkennen. Zwei Dinge wecken Assoziationen mit Eishockey: Viel Körperkontakt und viel Platz hinterm Tor. Ansonsten ist es faszinierend, wie diese Menschen diesen Ball mit diesen Teilen fangen können.

In other news:
Das Wetter bei mir und bei euch ist gleich beschissen. Und Ben Folds ist großartig.

Bible Belt

Wenn der Begriff Bible Belt nicht schon existierte, man müsste ihn erfinden. Und ich dachte Wooster hat viele Kirchen…

Nashville ist DIE Glaubenszentrale schlechthin. Der Christian Resources Store LifeWay besitzt acht Blocks in Nashville Downtown. Ihnen gehört eines der prägnantesten Hochhäuser in Downtown, das auf allen seiten ein mit einem Kreuz geschmückt ist. In ganz Downtown fahren Shuttles von Kirchen rum und Kirchen preisen ihre Gottesdienste auf Leuchtreklamen an. Religion ist überall.

LifeWay betreibt einen riesigen Christenbilla, der Jünger mit allem was sie brauchen versorgt. Nicht nur Bibeln und Christian Rock werden verkauft, hier kann man sich auch erkundigen, welche weltlichen Produkte erlaubt sind (Chronicles of Narnia). Am steilsten ist die Kinderecke. Hier werden Gläubige ab 2 Jahren erzogen. Man findet Bücher mit Bibelzitaten für Das Kind das Football/Pferde liebt, Bilderbücher mit biblischen Geschichten und christlich korrekte Spiele, wie „The Settlers of Canaan“ und einer Abwandlug von Risiko. Keine Frage: Das Geburtstagsgeschenk für Clemens ist schon gekauft, übertrifft alle diese Dinge, wird aber hier nicht verraten.

In diesem Setting sollte es nicht einmal enge Bekannte des Blogautors (das bin ich) wundern, dass ich in Memphis – zum ersten Mal in meinem Leben an einem Sonntag – in der Kirche war. Um genau zu sein, in der Full Gospel Tabernacle Church des Soulsänger goes Reverend Al Green. Dieser Satz hat für den/die aufmerksameN LeserIn einige Hinweise darauf versteckt, dass es sich dabei um eine mehrheitlich schwarze Kirche handelt. In mitten einer schwarzen, waldigen Einfamilienhaussiedlung steht die Kirche (auf der selben Nebenstraße gibt es noch zwei andere) und schon von weitem hört man die Band. Die Band ist kein Euphemismus für einen betagten Organisten, der mit Mühe die Tasten gespielt halten kann. Die Band mein genau das: eine E-Gitarre, ein Bass, ein Klavier, ein Schlagzeug und Percussions, die die Stimmung anheizen, bevor die alte Lady ein paar Ankündigungen für die Kirchengemeinde macht. Im Hintergrund sitzt der Reverend und trinkt genüsslich sein Gatorade.
Während ein Bandmitglied vom Gospelchor unterstützt „I’m stronger, wiser, better, much better because of you“ (Ich nehme an, er meint nicht direkt mich) singt, kullern die ersten Tränen. Das Publikum singt nicht nur mit, es macht auch Zwischenrufe (vor allem, wenn der Reverend spricht). Die reichen von einem simplen Amen zu einem Thank You, Lord zu langen und teilweise unverständlichen Sätzen.
Dann ein Solo einer Gospelchorfrau. Ein anderes Chormitglied bricht schwer atmend zusammen. Jesus ist in sie gefahren. Auch die Solistin läuft tief atmend mehrere Runden um die Gläubigen, während der Reverend das Podium betritt. Er begrüßt die Besucher und bittet sie, aufzustehen. Mit mir stehen alle im Raum befindlichen Weißen auf. Er dankt uns und beginnt zu predigen.
Was er genau sagt, verstehe ich leider nicht. Immer wieder beginnt er zu singen, manchmal auch nur eine Zeile, immer begleitet von einem taDusch ähnlichen Betonen durch die Band, immer begleited von Zwischenrufen aus dem Publikum (Wie heißt denn das in richtig kirchensprachlich?). Er scherzt und lacht, ist fröhlich und sieht freundlich drein.
Dann liest er mal eine Stelle aus der Bibel, singt dazwischen mal wieder und lässt Spenden sammeln. Eine alte Frau stellt sich unter Tränen vor den Altar. Der Reverend reicht ihr ohne Umstände das Mikrophon und sie weint, wie dankbar sie ist, dass ihre alte Mutter eine Operation überlebt hat (glaub ich).
Nach zwei Stunden, die wie im Flug (woher kommt eigentlich diese dumme Redensart, als ob im Flug was schnelles wär) vergangen sind, trippelt die alte Frau vom Anfang zum Reverend. Es gibt ein neues Gemeindemitglied. Sie wird sehr herzlich begrüßt und darf ein paar Worte sprechen. Sie singt, wie glücklich sie ist, hier zu sein.
Damit endet mein erster Gottesdienst. Ich ahne, dass zwei Stunden in einer katholischen Messe nicht so schnell vergehen würden.

Mehr Fotos kommen, sobald sich meine Kamera nicht mehr weigert, sich an den Computer anzuschließen…

You ain’t nothing but a Greyhound.

Richtig: In diesem Beitrag geht es um einen Ausflug mit dem Bus zur Stadt des Kings.

„At this station, people boarded the bus to follow a dream or came home from a long journey. Memories are made everyday.“ Das steht auf der Plakette an der Station, bei der wir einen kurzen Zwischenstopp machen. Tatsächlich fühlt man sich hier ziemlich Walk the Line. Eine staubige Landstraße, ein verlassenes Dorf, eine 50er Jahre Busstation. Ein junger Mann mit seiner Gitarre und 10 Dollar in der Tasche steigt ein, um in Memphis Karriere zu machen.
Zumindest vor meinem geistigen Auge. Weil in Echt sind die Gestalten, die mit mir im Bus fahren nicht so romantisch. Drei Gruppen von Menschen reisen mit Greyhound: White Trash, Afro AmerikanerInnen, Hispanics. Zwar haben jeweils zwei der Gruppen etwas gemeinsam (WT-AA: Waren schon immer da, AA-H: Sind die verhassten Minderheiten, WT-H: Sind religiöse Fanatiker), verstehen tun sie sich aber trotzdem nicht.
Am gruseligsten ist der White Trash: Ein Mann mit zerwuselten Haaren, die ihm an verschiendenen zufälligen Stellen des Kopfes ausfallen. Starrer Blick. Dürr. Der perfekte Typecast für einen Serienmörder.
Zwei Reihen hinter ihm sitzt das übergewichtige Päarchen. Mit übergewichtig meine ich: Ihr hängt das Fett bis zu den Knien, appetitlich geteilt durch die Naht der Jogginghose, so dass der Bauch wie ein riesiger Hintern aussieht – außer wenn sie sich bewegt
Der einzige vernünftig aussehende Weiße mit mir im Bus ist der Punk. Er trägt die Punkeruniform (zerschnittenes Ramonesshirt, enge karrierte Hose, Ketten, Armbänder) und zur Not – falls Menschen seine Gruppenzugehörigkeit noch immer nicht erkennen, hat er die Buchstaben P-U-N-K mit einem Marker auf seine Fingerknöchel geschrieben.

Memphis selbst ist kein so großes Erlebnis. Eine typische amerikanische Südstadt: Kein öffentlicher Verkehr, eine Mini-Innenstadt und touristisch kann man sich nicht länger als 2 Tage aufhalten. Die Höhepunkte: Graceland, das Heim von Elvis und das National Civic Rights Museum, das in dem ehemaligen Motel untergebracht ist, in dem Martin Luther King erschossen wurde.

Graceland ist ein Spaß. Ein weiterer Beweis dafür, wie geschmacklos die 70er waren. Der geschmackvoll eingerichtete Raum links ist das so genannte Jungle Zimmer, in meinen Augen ein Prachtstück. Was man auf diesem Foto nicht sehen kann ist, dass die Decke genauso aussieht, wie der Boden.

Über das National Civil Rights Museum lässt sich nicht viel sagen. Wie alle Museen, die ich bisher gesehen habe, hervorragend aufgebaut und sie erklären Dinge kurz knackig aber gehaltvoll. A pros pros didaktisch gut aufbereitete Museen. Die Monet to Dali Ausstellung in Nashville hatte einen Raum „Kunst für Dummies“ anhand von vier Kunstwerken wurde einem da Kunstwerkinterpretation (dafür gibts sicher ein klügeres Wort) nähergebracht. Sogar ich habs verstanden!

Praktischerweise hab ich für all das meine Digicam vergessen und musste daher auf eine Wegwerfkamera zurückgreifen. Gute, alte Papierfotos werden also im persönlichen Gespräch nachgeliefert.

Fundraising

Ist so amerikanisch, dass es nicht mal ein deutsches Wort dafür gibt. Weil Fundraising ist mehr als Spendensammeln. Fundraising hat nicht unbedingt was mit einem guten Zweck zu tun. Alle machen Fundraising. Colleges wie Parteien. Öffentliche Parteifinanzierung gibt es so gut wie garnicht. Auf dem Steuerformular kann man freiwillig durch ein Kreuzerl etwas in den Public Funding Topf werfen. Im Wert von Dollar 3,-

Und zu so einem Fundraiser durfte ich gestern mitgehen.
Das Setting: ein Nobelrestaurant zu Mittag, geschlossene Gesellschaft. Neben den ca 10köpfigen Parteiangestellten (und mir) haben sich rund 30 mit einer Ausnahme weiße, ohne Ausnahme alte mit zwei Ausnahmen Männer versammelt. Sie sind aus zwei Gründen hier: Am Ende des Mittagessens werden sie einen Scheck abgeben und als kleine Belohnung dafür kommt der Gouvernör von Tennessee (überraschenderweise ein Demokrat und selbst Millionär), schüttelt ihnen die Hand, isst mit ihnen, spricht zu ihnen und anschließend dürfen sie Fragen stellen. Daneben wird wahlweise Steak, Lachs oder Penne geschmaust. Nach einer Stunde ist die Sache vorbei.
Ich weiß garnicht, wo ich anfangen soll, das abstoßend zu finden.

Die Scheks, übrigens, werden am Ende dezent in eine Box geworfen. Die Mindestsumme: 5000 Dollar.

The Volunteer State

Jeder Staat hat ja einen Spitznamen. Ohio ist zum Beispiel The Buckeye State oder auch Birthplace of Aviation. California ist der Golden State und Texas der Lone Star State. Tennessee ist der Volunteer State. Nett irgendwie, so Freiwilligenarbeit. Kann ja keiner was dagegen haben. Nicht bedacht hab ich, dass es sich um Freiwilligkeit im amerikanischen Sinn handelt: Der Staat heißt so, weil sich so viele Tennesseaner freiwillig zum Krieg 1812 gegen Kanada/Groß Brittanien gemeldet haben.
Honestly, who does that?!

Sonst: Erster Arbeitstag ist gut verlaufen. Nettes kleines Büro einer Bezirkspartei, der Communicationsdirector ist nicht viel älter als ich und es tut gut, wiedermal in einem Büro zu sitzen und Positionpapers/GegnerInnenanalyse zu schreiben. Nashville ist wirklich Honkey Tonk Stadt Nummer Eins. Ich freu mich schon, sie alle zu erkunden.